Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
beim McDonald’s.«
Die Wirtin wirft ihrem Exmann einen besonders bösen Blick zu, als ob das wohl das Äußerste an Gemeinheit sei. Ich stehe herum und weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hasse Szenen dieser Art.
Billy Winters Exmann räuspert sich. »Arbeiten Sie hier?«, fragt er.
Ich schüttle den Kopf. »Ich bin Gast.«
»Na Mahlzeit.« Damit verlässt er das Lokal.
»Ich hab einen Fehler gemacht«, sagt Onkel Franz trocken.
Hannes kommt, setzt sich ruhig an einen freien Tisch und beginnt seine Aufgaben zu machen. Er muss meinen Blick bemerkt haben, denn er schaut mir mit denselben wachen, dunklen Augen, wie seine Mutter sie hat, ins Gesicht. »Sind Sie die Neue?«
Ich schüttle den Kopf und frage mich beinahe gleichzeitig, warum ich nicht schon früher auf die Idee gekommen bin. Ich kann kochen. Ich kann abwaschen. Gasthausküchen haben mir immer gefallen. Also.
»Vielleicht doch«, sage ich.
Billy Winter ist über mein Angebot erstaunt. »Warum?«, fragt sie.
»Ich hab momentan sowieso eine Sinnkrise.«
»Und die wird man in der Küche los?«
»Ich koche oft, wenn ich nachdenken muss.«
»Zum Nachdenken bleibt hier wenig Zeit, ich warne Sie.«
»Was gibt es zu tun?«
Ich bekomme eine blaue Kochschürze und den Auftrag, Petersilie zu schneiden. Kein Problem. Dumm nur, dass ich sehr schnell bemerke, wie langsam und ungeschickt ich im Verhältnis zu Billy Winter, aber selbst im Vergleich zum abwesend dreinblickenden Lehrling im dritten Jahr bin. Die Wirtin weigert sich zuerst, mich an den Abwasch zu versetzen, aber sie sieht ein, dass es ökonomischer ist, der Lehrling hackt das Grünzeug klein, und ich wasche Töpfe und fülle den Spülautomaten. Mira, die neue Küchenhilfe. Ich muss grinsen, wenn ich mir Oskars erstauntes Gesicht vorstelle und erst die Kommentare, die von Vesna zu erwarten sind … Aber vielleicht ist der Koch morgen schon wieder da, und die eigentliche Küchenhilfe hat ihre Grippe überwunden.
Neugierig versuche ich nebenbei zu beobachten, was sich abspielt. Noch ist kein einziger Gast da, aber der Betrieb läuft bereits auf Hochtouren. Mit unglaublicher Leichtigkeit hievt Billy Winter den Dreißiglitertopf ins Abwaschbecken. Sie hat Kraft, die man ihr nie zutrauen würde. Sie kontrolliert Mahmet, der eine Schokomousse zusammenrührt, sie weist den Lehrling an, die Petersilie noch feiner zu schneiden, sie befreit zwei Rindslungenbraten in enormem Tempo von Fett, Haut und Sehnen und erklärt mir nebenbei noch, was die Hauptsache bei der Arbeit in der Küche ist:
»Mise en place, darum geht es, je besser alles vorbereitet ist, desto schneller kann man kochen. Alles, was gebraucht wird, muss bereitstehen. Wir kochen frisch, à la minute. Aber niemand hätte im Hauptgeschäft Zeit, Zwiebeln zu schneiden, Fleisch herzurichten, Karotten zu schälen. Das muss vorher geschehen. Die Fonds müssen fertig sein, die Saucen – wir machen unsere Jus, also die Grundsaucen, noch selbst –, Butter in Würfel geschnitten, Beilagen vorbereitet, Speck, Würstel hergerichtet, Wachteln mit Gänseleber schon gefüllt. Was gekühlt werden muss, kommt in diese Laden und Schränke. Was einige Stunden Zimmertemperatur aushält, wie das meiste Gemüse, wird vorbereitet, dann wieder kalt gestellt und so spät wie möglich aus dem Kühlschrank geholt.«
Mir schwirrt der Kopf. Noch dazu stelle ich fest, dass ein Tellerspüler in der Gastronomie nicht länger als drei Minuten braucht. Eine Füllung wird herausgeschoben, die nächste kommt hinein. Ich komme mir unfähig vor. Aber ich kann natürlich nicht wissen, wo die vielen verschiedenen Teller hingehören. Mahmet hilft mir. Er scheint nicht zu begreifen, warum ich mich freiwillig in diesen Küchenwahnsinn begeben habe. Abenteuer. Das ist es. Zuerst der Frisiersalon in der Provinz und jetzt diese Küche. Wer sagt, dass nur Vesna einen Hang zum Abenteuer hat?
Und das Abenteuer lohnt sich: Das hier ist ein Sternelokal, ich darf seine Küche von innen kennen lernen. Und mithelfen. So lange ich will. Oder zumindest solange es der Wirtin an Personal fehlt.
Sie fordert den Lehrling auf, mir laut zu sagen, was wir heute für die Mise en place brauchen. Da könne sie gleich sehen, wie viel er sich gemerkt habe.
Er beginnt stockend: »Geschnittene Petersilie …«
Sie fährt dazwischen: »Ja, deswegen nicht aufhören mit dem Schneiden, weitermachen, schnell, du musst lernen, verschiedene Dinge gleichzeitig zu machen, sonst wird nie ein Koch aus
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