Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
dir.«
»… tournierte Karotten«, fährt er fort, »blanchierte Sellerie, geschnittenen Lauch, zerteilte Blumenkohlröschen …« Er stockt.
Billy Winter dauert das zu lange, während sie Lammrosen mariniert, fährt sie selbst fort: »… Zucchini in langen Streifen zum Grillen, Zucchini in Scheibchen, Broccoliröschen, gelbe Paprika in Streifen, rote Paprika in kleinen Würfeln, geschnittenen Schnittlauch, Palatschinkenteig, Obers, weiße Roux zum Binden, dann vorgekocht: Kürbisgemüse, Sommerkraut, Rehbolognese, Lammgulasch, Wildschweinragout, Gemüsefond, Fischfond, Rindsuppe. Hühnerfond machen wir morgen neuen. Sicher hab ich etwas vergessen, ich muss mir die Karte noch anschauen.« Sie deutet auf die aktuelle Speisekarte, die an der Wand hängt. »Manninger hat sie zumindest zweimal die Woche geändert. Ich tue es nach Möglichkeit nur einmal. Dafür gibt es Tagesempfehlungen, die nicht auf der Karte stehen, sondern nur auf den Tafeln.«
Liebe Güte, und ich habe gedacht, ich hätte vom Kochen eine Ahnung. Wie soll ich hier aufpassen, ob wieder ein böser Streich, ein Anschlag in Vorbereitung ist? Ich komme ja nicht einmal mit dem Geschirr zurecht.
»Gekühlte Mise en place!«, befiehlt Billy Winter dem Lehrling.
Er zählt auf: »Butter, geschnitten – das hab ich schon gemacht. Schalotten, fein geschnitten – auch schon!«
»Das möchte ich hoffen.«
»Dann: dreierlei Würstchen vom Freilandschwein, dann Serviettenknödel mit Brennnessel, schon geschnitten, Kartoffelscheiben, geschnitten, Kartoffelnockerl, vorgekocht, Rindszunge, vorgekocht, Wildschweinschinken in feinen Scheiben, Eierschwammerl, geputzt und nach Größen sortiert, dann …«
»Was ist mit dem Fleisch?«
»Das ist im Schrank daneben.«
Billy Winter lacht. »Aus dir wird schon noch einmal etwas. Vorausgesetzt, du kriegst endlich Tempo.«
Ich hoffe inzwischen inständig, am Spülbecken bleiben zu können. In der Küche ist das Selbstvertrauen der Wirtin ungebrochen, die zierliche, zähe Frau würde mich, wenn’s richtig losgeht, wohl einfach aus dem Fenster werfen, falls ich so langsam und unbeholfen bin, wie ich mir vorkomme.
»Wissen Sie, was das ist?« Billy Winter deutet auf ein Gerät, das wie eine Kreuzung aus einem überbreiten Backrohr und einem Elektrogrill aussieht. Es ist in Kopfhöhe über einer Anrichtefläche angebracht und offen, hat keine Tür. Ich überlege. Als Koch-, Ess- und Küchenfreak hab ich natürlich »Kitchen confidential« gelesen, das könnte das Ding sein, das auf Englisch
salamander
heißt. Ich probiere es mit der direkten Übersetzung. Es ist mir gelungen, meine Küchenchefin zu überraschen.
»Kitchen confidential«, füge ich hinzu, und sie grinst.
»Ganz so wie in dem Buch geht es bei uns nicht zu, aber man findet sich wieder in dem, was Anthony Bourdain geschrieben hat. Auch wenn er das Ganze natürlich aus Männersicht schildert. Aber das passt schon. Die meisten Köche sind Männer, gerade in Großküchen ist das so. Stress und ungesundes Leben und jede Menge Hormone, die verrückt spielen. Übrigens nicht nur bei den Männern, aber als Frau musst du dich da zurückhalten. Egal, wie tief die Witze sind, die sie reißen: Wenn eine Frau sich aufführt wie sie, dann ist sie schnell unten durch. Es war gar nicht so leicht, die Typen im Royal Grand in Schach zu halten, wenn der Küchenchef wieder einmal ausgefallen war. Die einen glauben, sie brauchen dir als Frau nicht zuzuhören, die anderen wollen mit dir ins Bett und damit vor ihren Kumpels prahlen. Na ja, wo gibt es das nicht? Aber das hier …« Die Euphorie in der Stimme ist verschwunden, sie fährt sich über die Augen und sieht zum Fenster, das provisorisch mit Plastikfolie verklebt ist. Dann gibt sie sich einen Ruck und ruft: »Ach, verdammt, wir werden es schon schaffen!«
Drei Stunden später weiß ich nicht mehr, warum ich mir gewünscht habe, beim Abwasch bleiben zu dürfen. Der Reihe nach sind plötzlich die Bestellungen hereingekommen, Billy Winter hat angesagt, dirigiert, gekocht, geschimpft, angerichtet, die Geschirrberge sind gewachsen, irgendwann kommt man drauf, dass selbst die modernste und schnellste Spülmaschine nicht so rasch arbeiten kann, wie sechzig Leute essen. In der Hitze des Gefechts hat unsere Küchenchefin auch längst vergessen, dass ich nur eine gutwillige Freiwillige bin.
»Wir haben keine Pfannen mehr, und drei von den kleinen Sauteusen brauche ich, aber rasch, die gammeln schon ewig irgendwo im
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