Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Polizei noch Journalistenkollegen von sich hören lassen. Aber offenbar gibt es von »Sibylle Winter« auf dem Messer bis hin zum Apfelbaum im Weinviertel doch etwas Recherchearbeit. Ich habe die Nase vorne. Das ist eine Story, die unser Chefredakteur nicht ablehnen kann. Aber ob es in seinem Sinn ist, was ich schreiben will, wage ich zu bezweifeln.
Einige Autos parken. Beide sehen wir nach draußen.
Zuckerbrot, der Leiter der Mordkommission 1, steigt aus. Ich bin ihm dankbar dafür, dass sie nicht mit Einsatzfahrzeugen und Blaulicht gekommen sind. Billy wird es im Ort ohnehin schwer genug haben. Zuckerbrot dürfte kaum erfreut sein, mich hier zu treffen. Wer mag es schon, wenn man ihm in die Arbeit pfuscht?
Ich merke, wie Billy zittert. Kurz drücke ich ihren Arm, dann gehe ich Zuckerbrot entgegen. Beinahe bereitet es mir Spaß, zu sehen, wie er kurz an eine Fata Morgana zu glauben scheint.
»Was machen Sie hier?«, fragt er wenig freundlich.
Ich lächle. »Das ist mein Stammlokal, außerdem helfe ich momentan in der Küche aus.«
»Sagen Sie es gleich. Sie haben ein Messer genommen und damit diesen Gastronomiekritiker erstochen, weil er schlecht über das Lokal geschrieben hat.«
Er glaubt natürlich keine Sekunde, was er sagt. Aber einige seiner Mitarbeiter sind mir bedrohlich nahe gekommen. Es ist gut ein Jahr her, seit ich das letzte Mal mit Zuckerbrot zu tun hatte. Erstaunlich, wie wenige Leute seiner Mannschaft ich noch kenne.
»Ist Frau Winter da?«, will er wissen.
Ich nicke und bitte ihn weiterzukommen.
Billy lehnt an der Theke, wenn jemand schuldbewusst aussieht, dann sie. Nichts ist von ihrer üblichen Dynamik zu spüren. Sie wirkt wie eine überführte Miniaturmörderin.
Eine Stunde später weiß Zuckerbrot das, was wir auch wissen. Zum Glück hat Billy nichts verschwiegen. Seine Leute nehmen Fingerabdrücke und versauen die ganze Küche. Ich sehe auf die Uhr. Halb fünf ist es inzwischen. In eineinhalb Stunden werden die ersten Gäste kommen.
Ich weise Zuckerbrot darauf hin, er reagiert irritiert. Was ich denn glaube, etwa dass er zusehe, wie alle Spuren verwischt werden?
Welche Spuren?
Das will oder kann er auch nicht genau sagen. Jedenfalls scheint er sich nun zu beeilen. Ja, natürlich stehe Frau Winter unter Verdacht. Klar sei es üblich, um drei in der Nacht in der eigenen Wohnung zu schlafen – und dass der Sohn ebenfalls tief und fest in einem Nebenraum schlafe, sei auch einsichtig. Aber Alibi sei das eben keines. Nein, einen Grund für eine Festnahme sehe er – noch – nicht. Aber sie müsse sich »zur Verfügung« halten. »Und Sie auch«, sagt er zu mir.
Ich sehe ihn so spöttisch wie möglich an. »Warum?«
»Sie hatten Zugang zu den Messern.«
»Ich aber habe ein Alibi. Es heißt Oskar Kellerfreund, und wir haben nicht geschlafen. Zu den Messern konnte ich wie alle anderen auch, die wussten, dass der Schlüssel zum Wirtshaus in einem Blumentopf lag. Glauben Sie im Ernst, Billy Winter nimmt wegen einer schlechten Kritik im ›Fine Food‹ das Messer, in das ihr Name graviert ist, lauert Bachmayer im Innenhof einer Bar auf, ersticht ihn, lässt das Messer stecken und fährt wieder heim?«
»Wer sagt, dass sie das Messer nicht wieder mitnehmen wollte? Vielleicht ist sie gestört worden. Und warum sie dieses Messer genommen haben soll? Soviel ich weiß, sind viele Köche abergläubisch, also nimmt sie ihr ganz persönliches Messer und hofft, dass es ihr sozusagen Glück bringt.«
Für so fantasiebegabt hätte ich Zuckerbrot gar nicht gehalten. Ich schließe gerade noch rechtzeitig den Mund, bevor mir etwas Derartiges herausrutscht. Immerhin will ich Billy helfen und ihr nicht zusätzlich schaden.
»Ihnen ist außerdem wohl klar, dass Sie über unsere Ermittlungen nicht berichten dürfen.«
»Das ist mir nicht klar. Es gibt keinerlei Vorschrift, die das verbietet. Ich werde natürlich berichten, wie meine Kollegen auch. Was ich schreibe, wird davon abhängen, wie die Ermittlungen laufen.«
»Sie gehören auch zum Kreis der Verdächtigen. Und Sie sind offensichtlich die Freundin der Hauptverdächtigen.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
Ich muss so schnell wie möglich mit meinem Chefredakteur reden. Wenn Zuckerbrot mir zuvorkommt, wird er versuchen, mich vom Fall fern zu halten. Außerdem muss ich Vesna anrufen. Jetzt wird es wirklich eng, jetzt brauche ich ihre Hilfe.
Alle heben den Kopf, als der weiße Kies des Parkplatzes aufspritzt und einige Autos
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