Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
bisschen zu honorig für mich. Ich folge Onkel Franz in den Schankraum, und da steht Vesna mit dem Sturzhelm in der Hand.
»Ich habe Nachrichten gesehen, da kann man zusammenzählen, um wen es geht, also bin ich gekommen. Wenn es ernst wird, helfe ich, habe ich versprochen.«
»Du bist mit deiner Mischmaschine hergefahren?«
»War Notfall.«
Vesna besitzt ein Motorrad, das sie noch mit ihren Brüdern in Bosnien zusammengebaut hat. Lange nicht alle Teile stammen ursprünglich von Motorrädern, kein Wunder, dass das Gefährt in Österreich nie zugelassen wurde. Bei jeder Fahrt riskiert sie, von der Polizei aufgehalten zu werden. Ausländerinnen ohne Arbeitsgenehmigung sind schon wegen kleinerer Vergehen abgeschoben worden.
»Mann hat das Auto, was soll ich tun?«, fügt sie hinzu. Sie liebt es, auf der viel zu lauten illegalen Maschine durch die Landschaft zu brausen. Typisch Vesna.
Onkel Franz steht die Frage, wer denn das sei, deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Meine Freundin Vesna«, sage ich daher kurz. Hoffentlich hat sich Billy inzwischen wieder gefangen. Ich erzähle nun auch Vesna, was sie noch nicht weiß, und komme mir schon wie eine Gebetsmühle vor.
Vesna nickt. »Wir müssen Koch finden. Und Bar ansehen. Und fragen nach Feinden von diesem Kritiker. Und vorsichtig sein. Ich werde da arbeiten, geht sich schon aus, zumindest am Abend. Wenn es sein muss, auch an der Spüle. Jetzt ist ein Mord passiert. Das ändert alles.«
»Das macht die Sache für dich spannender, als wenn man bloß eine Wirtin in den Konkurs treiben will …«
Vesna ist nur scheinbar gekränkt. »Ich will helfen. Aber bei schwerer Sache ist das eben notwendiger wie bei leichter.«
»Die Abwäscherin ist schon zurück.«
»Dann werde ich was anderes tun.«
»Wir sind voll«, mischt sich Onkel Franz wenig höflich ein. Aus irgendeinem Grund scheint er Vesna nicht zu mögen.
Ich sehe ihn bittend an. »Wir reden mit der Chefin, ja?«
Er schüttelt stur den Kopf. »Ich kann auf sie aufpassen, da brauche ich niemanden. Ich habe Herrn Manninger versprochen, auf sie Acht zu geben. Und auf das Wirtshaus.«
»Aber Unterstützung kann man doch immer brauchen.« Das »in Ihrem Alter« verkneife ich mir.
Billys Gesicht ist noch etwas gerötet, aber ihre Stimme ist schon wieder fest. Sie kontrolliert unerbittlich, ob in der Küche alles sauber ist. Sie findet schließlich auch eine Lösung für Vesna, mit der selbst Onkel Franz gut leben kann: Vesna wird hinter der Theke Gläser polieren, einschenken helfen und bei Bedarf auch Besteck polieren. Onkel Franz hasst die Poliererei.
6.
Der Kriminalpolizei gelingt es nicht, etwas über den Verbleib von Josef Dvorak herauszufinden. Das erfahre ich von Droch, der seit Jahren mit Zuckerbrot befreundet ist und sich einmal pro Woche mit ihm zum Mittagessen trifft. Ein Amtshilfeverfahren mit den tschechischen Behörden ist bereits eingeleitet worden.
Nach schwerem Kampf hat mir der Chefredakteur den Mordfall Bachmayer übertragen. Zum Glück ist der Chronikchef auf Urlaub, er hätte darauf gedrängt, dass die Story in dem Ressort bleibt, in das sie gehört. Felix soll mir, wenn ich ihn brauche, zur Seite stehen. Natürlich warnt mich der Chefredakteur vor »einseitiger Berichterstattung«, andererseits weist er mich an, ja alles zu verwenden, was ich durch meine Freundschaft mit Billy Winter herausfinden kann. Ich werde mich hüten. Vor beidem. Billy ist objektiv nicht besonders verdächtig. Das sieht selbst Zuckerbrot so. Andererseits will ich sie aber auch nicht unterschätzen. Sie hat eine Menge Temperament, im Affekt kann sie einiges anstellen. Und so gut kenne ich sie auch wieder nicht.
Das Azorenhoch hat sich nun tatsächlich durchgesetzt. Im Wiener Stadtzentrum hat es zu Mittag bereits einunddreißig Grad. Ich schwitze, widerstehe der Verlockung, am Naschmarkt einkaufen zu gehen, und steuere die Bar Rosa Flieder an. Keine Uhrzeit für eine Bar, ich weiß, aber mit Sicherheit eine gute Chance, mit der Besitzerin in Ruhe reden zu können.
Die Bar liegt in einer Seitengasse der Rechten Wienzeile, die Eingangstür ist offen, das Innere wirkt im Kontrast zum Sonnenlicht stockfinster. Ich blinzle, bis ich im Zwielicht doch endlich einiges ausnehmen kann. Ein langer Tresen, schwarz, blank poliert. Einfache Barhocker aus Edelstahl mit schwarzem Sitzpolster, ein paar kleine Tische in Nischen, Design der Fünfzigerjahre. Hinter der Bar Spiegel, eine eindrucksvolle Menge an Getränken. Es riecht
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