Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
gerade noch, wie die Blonde in ein Flugzeug steigen will, ihr Angebeteter ruft von weit unten: »Heirate mich!« Sie zögert, dreht sich dann um und steigt die Gangway unter lebhaftem Klatschen der anderen Passagiere wieder nach unten, in Richtung neues Leben. Oder zumindest Ehe. Ich gähne, putze mir die Zähne, nehme noch einen Schluck Jameson aus der Flasche – es hat eben seine Vorzüge, wenn man alleine lebt –, verkrieche mich ins Bett und schlafe tief und traumlos.
Am Dienstagnachmittag begleite ich Billy zum Einkaufen in den Großmarkt, auch Hannes ist mitgekommen. Er erzählt begeistert vom Tiergarten und vom Gameboy 2, den er letzte Woche von seinem Vater geschenkt bekommen hat. Billy sieht mich kurz an. Ich zucke mit den Schultern. Sie muss akzeptieren, dass ihr Sohn auch seinen Vater mag und dass es ihm wohl nicht nur auf die Geschenke ankommt. Klar ist das unter den gegebenen Umständen nicht einfach.
Wir schieben einen überdimensionalen Einkaufswagen vor uns her. An das Klemmbrett, das an der Haltestange angebracht ist, hat Billy eine lange handgeschriebene Liste geheftet. Eigentlich habe ich mir gar nicht vorstellen können, was sie im Großhandelsmarkt einkaufen muss, da doch Fleisch, teilweise Geflügel, Fisch, der Großteil des Gemüses, selbst Eier von Produzenten aus der Umgebung geliefert werden. Doch der Wagen füllt sich schneller, als man glauben möchte. Zwanzig Liter Frittieröl. Zehn Liter Olivenöl. Zehn Kilo glattes Mehl, zehn Kilo griffiges Mehl. Kapern und Trockenfrüchte, Madeira und Noilly Prat zum Kochen, zwei Säcke Kartoffeln, eine Steige günstige Ananas, Ingwer, Passionsfrüchte, außerdem fünf Kilo Branzino, zwei große ganze Lachse, drei Packungen gefrorene Flusskrebse.
Ich liebe Einkaufstouren. Und in diesem Fall muss ich endlich einmal nicht überlegen, ob alles in meinen Kühlschrank passt. Ein Stückchen Paradies für Mira. Hannes scheint das ähnlich zu sehen. Da gibt’s für ihn eine Packung Schokoriegel, dort zwei spacige Kugelschreiber, dazu noch seine Lieblingspuddings auf Vorrat. Zehn Liter Schlagobers, Butter gleich in Kilopackungen. Bei den französischen Käsesorten schaut Billy wie bei allem anderen nicht nur auf die Qualität, sondern auch auf den Preis. »Wenn der Wareneinsatz nicht stimmt, kannst du schneller zusperren, als du glaubst. Nur die Sache mit den Personalkosten ist noch gefährlicher. Das sollte man diesen Hobbyköchen klar machen, die vor sich hin schwärmen, ein eigenes Lokal aufzumachen.«
Ich zucke zusammen. Tatsächlich haben sich in den letzten Wochen einige meiner romantischen Vorstellungen vom eigenen kleinen Restaurant in Küchendunst aufgelöst. Sie hat schon Recht, ein Restaurant ist auch ein Wirtschaftsunternehmen. Nach außen muss es leicht und fein und kreativ aussehen, Freude am Kochen und an den Gästen ausstrahlen … Gut, ohne das alles geht es sowieso nicht.
Billy hat unterdessen bemerkt, dass sie in der Non-Food-Abteilung einiges vergessen hat. Wir lassen den ohnehin schon gefährlich angefüllten Rieseneinkaufswagen in der Nähe der Kassen zurück, nehmen uns einen neuen, diesmal von nahezu durchschnittlicher Dimension, und laden noch Kassenrollen, Küchenpapier, überbreite Alu- und Plastikfolie, Kanister voll Putz- und Abwaschmittel auf.
Die Rechnung beläuft sich schließlich auf mehr als tausend Euro. Um das wieder hereinzubekommen, muss sie schon einige Essen verkaufen.
Wir verstauen unsere Beute in ihrem Kombi. Er ist bis zum Dach gefüllt, ich verstehe, warum sie gemeint hat, es sei besser, wenn ich mit dem eigenen Auto fahre. Hannes hat schon wieder Hunger. Im ersten Stock des Großmarktes gibt es ein Schnellrestaurant. »Klingt gar nicht schlecht«, meint Billy, als sie die Speisekarte liest. Mich wundert immer wieder, wie diese Frau mit ihrem ausgeprägten Geschmackssinn und ihrer exzellenten Küche auf ordinäre Billigstgerichte abfährt. Hannes bestellt sich Fleischlaibchen mit Pommes, Billy Berner Würstel mit einer doppelten Portion Pommes. Mir wird schon vom Zuhören schlecht. Ich nehme Mozzarella mit Tomaten.
Mittwoch ist wieder Wochenstart im Apfelbaum, Suppen und Saucen neu, viel Gemüse zu schneiden, neue Speisekarte. Vesna hat heute erst am Abend Zeit, sie will mit der Schnellbahn nachkommen, ich werde sie abholen. Ich telefoniere zwischendurch mit der Redaktion, alles in Ordnung, morgen erscheint die neue Ausgabe des »Magazins«. In den Tageszeitungen wird der Mord an Bachmayer kaum mehr
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