Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Soll ich auf Hans-Peter warten?
Ich drücke die Klinke und drehe den Lichtschalter an. Muffiger Geruch. An großen Nägeln hängen ein paar Besen. Sie sehen aus wie hingerichtet. Ich darf nicht hysterisch werden. Die steilen Stufen hinunter.
Zehn Minuten später weiß ich: alles in Ordnung. Zumindest hier.
Ich muss die Speisekarte durchsehen, vorbereiten, was der Lehrling nicht schafft. Ist das alles so wichtig, wenn Onkel Franz stirbt?
Um halb zwölf, gleichzeitig mit den ersten beiden Gästen, kommt der Anruf von Billy: Der Arzt hat Recht gehabt, Onkel Franz hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er liegt auf der Intensivstation, hat aber höchstwahrscheinlich keine inneren Verletzungen. Er ist sogar zwischendurch kurz aufgewacht und hat etwas gemurmelt, niemand hat ihn verstanden. Ob Zuckerbrot schon da sei.
Das darf nicht wahr sein, den habe ich vollkommen vergessen.
»Hatten Sie vor, den Überfall zu vertuschen?«, faucht er mich wenig später übers Telefon an.
»Hätte ich dann angerufen?«
»Man hat uns vom Krankenhaus aus verständigt. Zum Glück hat mein Kollege zwei und zwei zusammengezählt und mich informiert.«
»Auch wenn Sie es nicht glauben, ich hatte den Kopf voll mit anderen Dingen. Jedenfalls habe ich Ihnen erzählt, was ich weiß. Mehr ist es nicht. Ich habe ihn einige Minuten nach neun im Hinterzimmer gefunden.«
»Meine Leute sind schon auf dem Weg zu Ihnen. Richten Sie Ihrer Freundin aus, sie soll sich überlegen, Fremdenzimmer einzurichten. Dann können wir vielleicht gleich einziehen.«
»Da Sie offenbar nicht im Stande sind, den Wahnsinn aufzuklären …« Das hätte ich mir verkneifen sollen, aber meine Nerven sind heute überstrapaziert.
Zuerst Stille in der Leitung, dann ganz ruhig und böse: »Dafür hat Frau Winter ja Sie. Mit dem Vorteil, dass Sie felsenfest von ihrer Unschuld überzeugt sind.«
»Richtig. Wann werden Sie Onkel Franz, ich meine Franz Haberzettl, vernehmen?«
Er knallt einfach den Hörer auf.
Mir kommt noch eine Idee. Die Messerlade. Andere Waffen. Vielleicht wollte sich der Täter neues, für Billy belastendes Werkzeug beschaffen. Ich sehe die Messer durch. Von denen, die wir üblicherweise verwenden, scheint keines zu fehlen. Aber sicher bin ich mir nicht. Billys Messerset mit der Gravur ist ohnehin noch bei der Kriminalpolizei.
Ich rieche Verbranntes und rase zurück in die Küche. Der Lehrling hat zwar, so wie ich gesagt habe, einen Topf mit Kürbiskraut hingestellt, aber dann nicht mehr darauf geachtet. Ich imitiere Billy, packe den großen Topf, ziehe ihn vom Feuer und befehle: »Wegwerfen! Sofort!«
Dieser Mittag wird meine Feuerprobe. Zum Glück sind nicht sehr viele Gäste gekommen, aber ohne Billy … Wir stehen die Sache mit Anstand durch, irgendwann zwischendrin fragt mich der Lehrling: »Werden Sie der Chefin das mit dem verbrannten Kürbiskraut sagen?«
»Wenn du für heute Abend ein neues machst, dann nicht.«
Der introvertierte Mahmet grinst. »Neue Chefin, habe ich das Gefühl.«
Ich lächle ihn an. Ich sollte mich einmal ausführlicher mit ihm unterhalten.
Am Nachmittag kommt Billy zurück, sie ist mit den Gedanken noch so bei Onkel Franz, dass sie nicht einmal kontrolliert, ob ich ihr Wirtshaus auch nicht ins Unglück gestürzt habe. Leider komme ich so auch um ein Lob.
Sie erzählt, dass Onkel Franz bereits wieder ansprechbar ist, die meiste Zeit schlafe er zwar, aber er habe sie eindeutig erkannt und gesagt: »Ist er weg? Hab ich ihn vertrieben?«
Billy kommen wieder die Tränen. »Ich hab gesagt: ›Ja, danke, Onkel Franz, du hast ihn vertrieben.‹ Dann hat er gelächelt und ist wieder weggedämmert.«
Ich schenke Billy einen großen Marillenschnaps ein und nehme mir selbst einen kleinen.
»War Zuckerbrot schon bei Onkel Franz?«
»Er ist noch nicht vernehmungsfähig, hat der Arzt gesagt.«
»Hat Onkel Franz noch mehr gesagt? Hast du irgendetwas verstanden, was uns weiterhelfen kann?«
Billy schüttelt den Kopf. »Mir ist das alles nicht mehr wichtig. Ich sage Manninger, er muss das Wirtshaus zurücknehmen. Ich bin vertraglich zu nichts verpflichtet, kann aufhören, wann ich will. Glaube ich jedenfalls.«
»Und der, der Onkel Franz niedergeschlagen hat, hat endgültig gewonnen?«
Sie sieht mich an, geht durch den Schankraum, sieht hinaus zu den beiden Kastanienbäumen. Lange sagt sie nichts. Sie räuspert sich, um den Hals frei zu kriegen. »Du hast Recht. Aber wie lange kann ich es noch verantworten? Was, wenn
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