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Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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üblicherweise um neun Uhr kommt. Heute werde ich endlich gleichzeitig mit ihr da sein. Mein Herz schlägt höher, als ich um die Kurve biege und das Wirtshaus sehe. Es ist, als hätte ich mich verliebt.
    Billys Auto ist noch nicht da. Ich besitze keinen eigenen Schlüssel, und das praktische System mit dem Blumentopf hat sie aus guten Gründen abgeschafft. Ich stelle meinen kleinen Fiat am Rand des Parkplatzes ab, lasse die besten Plätze für Gäste frei. Noch besser, ich war schneller als Billy. Zeit, mir die Morgensonne ins Gesicht scheinen zu lassen.
    Trotzdem probiere ich, ob der Hintereingang schon offen ist. Kann ja sein, dass Onkel Franz aufgesperrt hat. Er ist zwar auch erst um Mitternacht gegangen, aber er behauptet, dass man in seinem Alter nicht mehr so viel Schlaf braucht. Abgesehen davon hat er ja keinen Anfahrtsweg.
    Tatsächlich, die Tür ist unversperrt. Ich gehe den schmalen Gang entlang, vorbei an den Toiletten, biege nicht in die Küche ab, trabe gleich in den Schankraum. Ein zweiter Kaffee wäre eine feine Sache. Kein Onkel Franz zu sehen. Ab und zu sitzt er auf dem alten Sofa im Hinterzimmer und macht ein Nickerchen. Von wegen schlaflos im Alter. Ich trete leise ein, um ihn nicht zu erschrecken, und erschrecke selbst. Onkel Franz liegt nicht auf dem Sofa, sondern am Boden. Ich bekomme kaum mehr Luft, weiß gar nicht, wie ich neben ihm zu knien komme. Seine Augen sind geschlossen, das faltige Gesicht ist kreidebleich, der Hals seltsam verdreht. Blut. Nicht viel Blut, aber Blut unter seinem Kopf. Ich muss die Nerven behalten.
    Um mich dreht sich alles, ich versuche mit zwei Fingern seine Halsschlagader zu finden. Kein Puls. Ich drücke heftiger. Sein Kopf bewegt sich. Ich zucke zurück. Hab ich ihn bewegt? Hat er sich bewegt? Ich taste nach seinem Arm, will dort den Puls fühlen. Der Arm ist kühl und faltig, fast wie mit Pergament überzogen. Da. Pochen. Puls. Blut, das zirkuliert. Ich bin mir fast sicher. Ja. Er lebt. Noch. Darf ich ihn aufrütteln? Wer weiß, was gebrochen ist. Vielleicht hat er etwas an der Wirbelsäule. Zitternd stehe ich auf, renne zum Telefon, finde in der Lade darunter die Nummer des Gemeindearztes. Bitte sei da!
    Er ist da, gleichzeitig mit Billy trifft er im Apfelbaum ein. Billy kommen die Tränen, und jetzt versucht sie nicht, sie zu verbergen. Der Arzt kniet neben Onkel Franz, tastet die Wirbelsäule entlang, dreht vorsichtig den Kopf. Diesmal bin ich mir sicher: Onkel Franz hat sich bewegt.
    Dr. Vislotschil sieht zu uns auf: »Er ist niedergeschlagen worden, würde ich sagen. Wahrscheinlich ein Schädel-Hirn-Trauma. Er muss sofort ins Spital.«
    »Ich fahre mit«, sagt Billy, »er hat ja sonst niemanden.«
    Es dauert zehn Minuten, bis die Rettung da ist.
    Vislotschil gibt den Sanitätern ein paar Anweisungen. Dann fährt der Wagen mit Blaulicht davon. »Könnte ich einen Kaffee haben?«, fragt er mich.
    Ich nicke. Mir ist nach etwas Stärkerem. Aber ich geniere mich in der Anwesenheit des Arztes. Also nehme ich auch einen Kaffee. »Wird er es überleben?«
    Der Arzt macht eine unbestimmte Geste. »Hängt davon ab, ob er innere Blutungen hat. Ich kenne ihn, seit ich hier meine Praxis habe. Er war selten krank. Er ist zäh.«
    Ich sollte Zuckerbrot anrufen. Wieder einmal.
    »Was ist hier los?«, fragt der Arzt.
    Das würde ich selbst gerne wissen.
    Um zehn kommt der Rest der Belegschaft, noch habe ich nichts aus dem Krankenhaus gehört. Ich erzähle kurz, was geschehen ist, und bitte Mahmet, das zu tun, was er sonst auch tut. Dem Lehrling trage ich auf, sich um die Mise en place zu kümmern. »Aber Tempo bitte, heute haben wir keine Chefin, die uns herausreißen kann.« Ich hoffe, dass meine Stimme fest und autoritär geklungen hat. Auch wenn ich theoretisch sehr für Daniels neuen, partnerschaftlichen Stil in der Küche bin – hier und jetzt kann etwas Druck nicht schaden. Ich versuche, das graue Gesicht von Onkel Franz zu verdrängen, und sehe mich in der Küche und den Gasträumen um. Wer weiß, wobei er den Eindringling überrascht hat? Ich schnuppere, rieche kein Gas. Der Haupthahn steht, wie es sein soll, auf »Aus«. Die Kühlung funktioniert. Salz und Zucker sind in den richtigen Behältern.
    Starrköpfiger, tapferer alter Onkel Franz. Das hat er jetzt davon, dass er Billy beschützen wollte.
    Nichts scheint verändert worden zu sein. Selbst der Computer funktioniert. Das Reservierungsbuch liegt da wie gestern. Der Keller. Soll ich Mahmet bitten mitzugehen?

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