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Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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zwei Tauben, die sicher nicht fliegen können.
    Ich trete ein. Der Geruch von altem Fett liegt in der Luft. Ich atme flacher.
    Vier Japaner sitzen mit aufrechtem Oberkörper an einem der Tische mit steifen blauen Damasttischdecken und scheinen unsicher zu sein, ob sie hier wirklich essen möchten. Eine Kellnerin mit weißer Bluse, schwarzem Rock und einem weißen Schürzchen bringt überdimensionale Speisekarten. Rotes Leder, wahrscheinlich Kunstleder, soll vortäuschen, dass einen hier feudale Genüsse erwarten.
    Ich bleibe stehen und suche Blickkontakt mit der Kellnerin. Sie weiß ihn geschickt zu vermeiden und verschwindet wieder. Ich sehe mich um, gehe in den nächsten Raum. Er ist mit zahlreichen Geweihen geschmückt. Wohl das Jagdzimmer.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich drehe mich um. Die Kellnerin sieht mich misstrauisch an. Aus der Nähe wirkt sie deutlich jünger. Sie kann noch keine zwanzig sein.
    »Ist Herr Demetz da?«
    »Warum?«
    »Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Ich weiß nicht … Das muss ich die Chefin fragen.«
    Seltsam.
    Ich warte und bleibe allein unter den Geweihen. Von weitem höre ich aufgebrachte Stimmen, kann die Worte aber nicht verstehen. Im Gang höre ich, wie eine Männerstimme brüllt: »Ich denke nicht daran, nur über meine Leiche!« Nicht schon wieder eine Leiche bitte, ich schleiche mich an die Streitenden heran, komme an den Toiletten vorbei zum Wirtschaftstrakt. In einem Gang, der offenbar zur Küche führt, steht ein älterer Koch, es muss Demetz sein, und eine rund sechzigjährige, üppige Frau. Sie trägt einen jener unsäglichen klein gemusterten Zweiteiler, die nie modern gewesen sind.
    Der Kopf des Koches ist hochrot. Sein Vis-a-vis, offenbar die Chefin, zischt böse zurück: »Sie haben hier nichts zu bestimmen, dass das klar ist. Sie haben zu kochen.«
    »Wer bei mir isst, muss zahlen! Es kommt gar nicht infrage, dass jemand bei Demetz isst und nicht zahlt, nur damit vielleicht ein paar freundliche Zeilen abfallen! Das hab ich nie getan, das hab ich nicht nötig!«
    »Die Kritiker werden nicht zahlen. Wenn Ihnen das nicht passt, dann können Sie ja gehen!«
    »Das tue ich! Dann werden Sie nicht mehr so präpotent dreinschauen! Sie haben doch keine Ahnung! Ich, der große Demetz, international ausgezeichnet mit Preisen, die Sie nicht einmal kennen, werde für ein paar Provinzkritiker gratis aufkochen! Niemals!«
    Die Chefin lacht böse auf. »Bin gespannt, wer einen Alkoholiker wie Sie einstellen wird.«
    Demetz holt aus, als ob er die Frau schlagen wollte, sie weicht keinen Millimeter zurück. Er nimmt einen Teller von einem Wandregal, knallt ihn auf den Boden. Der Teller zerspringt mit lautem Knall.
    »Das wird Ihnen vom Gehalt abgezogen. Sie machen hier sauber und dann ab in die Küche.«
    Demetz sieht auf die Scherben. Ist es Wut? Ist es Verzweiflung? Die Chefin dreht sich abrupt um und rauscht in meine Richtung, gerade noch kann ich in die Toilette flüchten. Sieht so aus, als ob Demetz soeben gekündigt hätte.
    Ich gehe langsam Richtung Ausgang. Nun sitzen außer den Japanern noch zwei Männer im Raum. Vielleicht sind sie die Kritiker, um die es im Streit gegangen ist. Ich kenne sie jedenfalls nicht. Ehe ich mir noch ein paar Theorien zusammenreimen kann, kommt die Chefin auf mich zu.
    Mit schmalen Lippen und einem noch schmaleren Lächeln fragt sie: »Warum wollen Sie mit unserem Küchenchef reden?«
    »Privat.«
    Das war falsch. Ihre Lippen werden zum Strich. »Dann warten Sie bitte, bis er Dienstschluss hat.«
    Ich lächle sie an. »Schade, vielleicht hätte ich Ihr Restaurant doch auch erwähnt. Ich arbeite an einem Porträt über ihn. Fürs ›Magazin‹.«
    Sie würde schon nicht nachfragen. Hoffentlich.
    Auch sie verzieht den Mund nach oben. »Hätten Sie das doch gleich gesagt … Natürlich werde ich ihn holen. Sollte er momentan keine Zeit haben, führe ich Sie inzwischen durch unser Lokal. Es ist von historischer Bedeutung, wie Sie sicher wissen.«
    Ich stehe gut fünf Minuten herum und betrachte ein Bild, auf dem ein naturalistischer Sonnenuntergang in den Bergen zu sehen ist, glaube nicht daran, dass sie Demetz dazu bewegen kann, zu kommen.
    »Sie wollten mich sprechen?«
    Ich fahre herum.
    Demetz trägt noch immer Pepitahosen und eine Kochbluse. Sein Gesicht wirkt, als wäre es dem heißen Fett zu nahe gekommen. Er bewegt sich langsam, so als wolle er den Kontakt mit mir noch hinauszögern, aber man merkt die Spannkraft in seinen Schritten. Er sieht

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