Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Forst. Wo es keine Bäume gab, waren steile Schluchten. Reacher musterte sie ruhig. Fowler deutete darauf.
»Vierzig Meter tief, manche jedenfalls«, sagte er. »Voll Wapitis und Big-Horn-Schafen, und dann gibt es hier auch Schwarzbären. Einige von unseren Leuten haben sogar Berglöwen auf der Jagd gesehen. Nachts, wenn es ganz still ist, kann man sie manchmal hören.«
Reacher nickte und lauschte der atemberaubenden Stille. Versuchte sich auszumalen, um wieviel stiller die Nächte noch sein konnten. Fowler drehte sich um und deutete hierhin und dorthin.
»Das haben wir gebaut«, sagte er. »Bis heute.«
Wieder nickte Reacher. Auf der Lichtung standen zehn Gebäude. Alles große, zweckmäßige Holzbauten aus Sperrholz und Zedernholz auf massiven Betonfundamenten. In jedes Gebäude führte eine elektrische Leitung, die von einem schweren Kabel ausging, das zwischen den Bauten verlegt war.
»Die Energie kommt aus der Ortschaft«, sagte Fowler. »Eine Meile Kabel. Und fließendes Wasser auch, aus einem Bergsee; es kommt durch Plastikrohre, die die Milizen verlegt haben.«
Reacher erkannte die Hütte, in der er den größten Teil der Nacht eingeschlossen gewesen war. Sie war kleiner als die anderen.
»Verwaltungshütte«, sagte Fowler.
Auf einer der Hütten war auf dem Dach eine Antenne installiert, vielleicht zwanzig Meter hoch. Kurzwellenfunk. Und Reacher konnte ein dünneres Kabel sehen, das an das schwere Energiekabel angeschlossen war. Es schlängelte sich in dieselbe Hütte hinein, kam aber nicht wieder heraus.
»Sie haben hier Telefon?«, fragte er. Er deutete auf die Leitung, und Fowler folgte seinem Blick.
»Die Telefonleitung?«, sagte er. »Die kommt von Yorke mit dem Energiekabel herauf. Aber es gibt kein Telefon. Die Weltregierung würde unsere Gespräche anzapfen.«
Er bedeutete Reacher, er solle ihm zu der Hütte mit der Antenne folgen, wo die Leitung endete. Sie traten gemeinsam durch die schmale Tür ein. Fowler breitete mit einer irgendwie stolz wirkenden Geste die Hände aus.
»Die Kommunikationshütte«, sagte er.
Die Hütte war dunkel und maß vielleicht sechs auf vier Meter. Zwei Männer taten hier Dienst, der eine über ein Tonbandgerät gebeugt und mit seinen Kopfhörern auf irgendetwas lauschend, der andere damit beschäftigt, an einem Radioscanner langsam das Skalenrad zu drehen. An den beiden Längsseiten der Hütte standen fest mit den Wänden verbundene schlichte hölzerne Arbeitstische. Reacher blickte zum Giebel auf und sah die Telefonleitung, die durch ein in die Wand gebohrtes Loch hereinkam. Sie schlängelte sich herunter
und war mit einem Modem verbunden. Das Modem war an zwei eingeschaltete Desktop-Computer angeschlossen.
»Das Miliz-Internet«, sagte Fowler.
Eine zweite Leitung führte an den Desktops vorbei und war mit einem Faxgerät verbunden. Es summte leise vor sich hin; Papier rollte langsam heraus.
»Das patriotische Faxnetz«, erklärte Fowler.
Reacher nickte und trat näher. Das Faxgerät stand neben einem weiteren Computer und einem großen Kurzwellenradio auf einem Beistellschrank.
»Das sind die Schattenmedien«, sagte Fowler. »Wir brauchen diese Geräte alle, um die Wahrheit über das, was in Amerika vor sich geht, zu erfahren. Anders kommt man nicht an die Wahrheit heran.«
Reacher sah sich in dem Raum um und zuckte die Schultern.
»Ich habe Hunger«, sagte er. »Was mich betrifft, ist das die Wahrheit. Ich habe kein Abendessen und kein Frühstück bekommen. Gibt es hier irgendwo Kaffee?«
Fowler sah ihn an und grinste.
»Aber sicher«, sagte er. »Die Kantine hat den ganzen Tag geöffnet. Für was halten Sie uns eigentlich? Ein Rudel Wilde?«
Er schickte die sechs Wachen weg und bedeutete Reacher, dass er ihm folgen solle. Die Kantine befand sich neben der Kommunikationshütte. Sie war etwa viermal so groß, doppelt so lang und doppelt so breit. An der Stirnwand war ein massiv wirkender Kamin aus verzinktem Metall vorgebaut. Drinnen standen ordentlich aufgereiht Tische und einfache Bänke. Es roch nach abgestandenem Essen, und dazu kam der staubige Geruch, wie ihn große Gemeinschaftsräume immer an sich haben.
Drei Frauen arbeiteten in dem Raum. Sie waren damit beschäftigt, die Tische sauber zu machen. Sie trugen olivfarbenes Drillichzeug und hatten alle langes, sauberes Haar und einfache Gesichter ohne jede Schminke, rote Hände und keinen Schmuck. Sie hielten in ihrer Arbeit inne, als Fowler und Reacher hereinkamen, standen dicht
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