Ausgeliefert: Roman (German Edition)
auf und eilte davon.
Durch jedes der langen Rohre in dem Bettgestell führten sechs Schrauben. Zwei davon hielten den Rahmen des Drahtgeflechts, von dem die Matratze getragen wurde. Dann gab es zwei an jedem Ende, mit denen man die rechtwinkligen Flansche, an denen die Beine befestigt waren, mit dem langen Rohr an jeder Seite verbunden hatte. Sie hatte die Konstruktion längere Zeit gründlich studiert und herausgefunden, was damit anzufangen war. Sie konnte einen Flansch an einem Rohrende festgeschraubt lassen. Der würde dann wie ein starrer rechtwinkliger Haken abstehen. Das war besser, als den Flansch abzuschrauben und ihn dann in das offene Rohrende zu zwängen. Belastbarer.
Trotzdem hatte sie sich noch mit genügend Schrauben zu beschäftigen. Sie beeilte sich. Es gab keinen Grund zu der Annahme, dass Jacksons Vorhaben scheitern würde, aber tatsächlich hatten sich seine Chancen gerade verschlechtert. Dramatisch verschlechtert. Was sie nicht wissen konnte.
Neben der Kantine lagen die Baracken mit den Schlafräumen. Es waren vier große Gebäude, alle makellos sauber und verlassen. Zwei dienten als Kasernen für allein stehende Männer und Frauen. Die anderen zwei waren mit Sperrholztrennwänden unterteilt. Dort wohnten Familien: die Erwachsenen in Paaren in kleinen Kabuffs hinter den Trennwänden, die Kinder in einer Art offenem Schlafsaal. Ihre Betten waren eiserne Pritschen in Dreiviertelgröße, angeordnet in Reihen. An den Fußenden der Pritschen standen halbhohe Spinde. Keine Zeichnungen an den Wänden, keine Spielsachen. Der einzige
Schmuck war ein Touristenplakat aus Washington D.C. Es handelte sich um eine Luftaufnahme, die an einem sonnigen Frühlingstag vom Norden her aufgenommen war, mit dem Weißen Haus vorn, der Mall in der Mitte und dem Capitol seitlich links. Das Plakat steckte in einem Plastikrahmen, und der Werbespruch für die Touristen war mit Papier überdeckt, auf das jemand in großen Buchstaben einen neuen Slogan geschrieben hatte. Der neue Slogan lautete: Das ist Euer Feind.
»Wo sind die Kinder jetzt alle?«, fragte Reacher.
»In der Schule«, entgegnete Fowler. »Im Winter benutzen sie die Kantine. Im Sommer sind sie draußen im Wald.«
»Was lernen sie denn?«, wollte Reacher wissen.
Fowler zuckte die Schultern.
»Was sie eben wissen müssen«, meinte er.
»Wer entscheidet denn, was sie wissen müssen?«, fragte Reacher.
»Beau«, erklärte Fowler. »Er entscheidet alles.«
»Und was hat er dann entschieden, dass sie wissen müssen?« , fragte Reacher.
»Er hat das ziemlich gründlich studiert«, erklärte Fowler. »Es läuft auf die Bibel, die Verfassung, Geschichte, körperliche Ertüchtigung, Waldkunde, Jagd und Waffen hinaus.«
»Und wer lehrt sie das alles?«, fragte Reacher.
»Die Frauen.«
»Sind die Kinder hier glücklich?«, fragte Reacher.
Fowler zuckte erneut die Schultern.
»Die sind nicht hier, um glücklich zu sein«, meinte er. »Die sind hier, um zu überleben.«
Die nächste Hütte war leer, wenn man von einem weiteren Computerterminal absah, das in einer Ecke ganz für sich allein auf einem Schreibtisch stand. Reacher konnte sehen, dass die Tastatur mit einem großen Schloss gesichert war.
»Ich denke, das hier könnte man als unser Schatzamt bezeichnen«, sagte Fowler. »Unser ganzes Geld liegt auf den Cayman-Inseln. Wenn wir welches brauchen, dann benutzen wir diesen Computer dazu, um es überall dort hinzuschicken, wo wir es haben wollen.«
»Wie viel Geld haben Sie denn?«, wollte Reacher wissen.
Fowler lächelte verschwörerisch.
»Massen«, sagte er. »Zwanzig Millionen in Inhaberaktien. Minus das, was wir bereits ausgegeben haben. Aber es ist noch eine Menge übrig. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass uns das Geld ausgeht.«
»Gestohlen?«, fragte Reacher.
Fowler schüttelte den Kopf und grinste.
»Erobert«, sagte er. »Vom Feind. Zwanzig Millionen.«
Die beiden letzten Gebäude waren Lagerhäuser. Eines stand dicht hinter dem letzten Kasernengebäude, das andere ein wenig abseits. Fowler führte Reacher in den näher stehenden Holzbau. Er war mit Vorräten aller Art voll gestopft. Eine ganze Wand nahmen riesige Plastikkanister voll Wasser ein.
»Bohnen, Munition und Verbandszeug«, sagte Fowler. »Das ist Beaus Motto. Über kurz oder lang steht uns eine Belagerung bevor. Das ist verdammt sicher. Es liegt ja auf der Hand, dass die Regierung das als Erstes tun wird, oder nicht? Die werden mit irgendwelchen
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