Ausgeliefert: Roman (German Edition)
nebeneinander da und beobachteten die beiden Männer. Reacher erkannte eine von
ihnen aus dem Gerichtssaal. Sie begrüßte ihn mit einem vorsichtigen Kopfnicken. Fowler trat vor.
»Unser Gast hat das Frühstück verpasst«, sagte er.
Die vorsichtige Frau nickte erneut. »Na klar«, sagte sie. »Was darf ich Ihnen servieren?«
»Was Sie wollen«, sagte Reacher. »Solange nur Kaffee dabei ist.«
»Fünf Minuten«, erwiderte die Frau und ging den beiden anderen voraus durch eine Tür in die Küche, die hinten an die Hütte angebaut war. Fowler setzte sich an einen Tisch, und Reacher nahm auf der Bank ihm gegenüber Platz.
»Dreimal täglich wird dieser Bau hier für die Mahlzeiten benutzt«, sagte Fowler. »Den Rest der Zeit, an den Nachmittagen und Abenden hauptsächlich, dient er als zentraler Treffpunkt für die Gemeinschaft. Beau steigt dann auf den Tisch und sagt den Leuten, was getan werden muss.«
»Wo ist Beau jetzt?«, wollte Reacher wissen.
»Sie kriegen ihn noch zu sehen, bevor Sie hier weggehen«, sagte Fowler. »Verlassen Sie sich darauf.«
Reacher nickte bedächtig und schaute dann durch das kleine Fenster zu den Bergen hinaus. Aus diesem neuen Blickwinkel entdeckte er eine weitere Bergkette, vielleicht fünfzig Meilen entfernt, die dort in der klaren Luft zwischen Erde und Himmel zu hängen schien. Das Schweigen ringsum war immer noch beeindruckend.
»Wo sind denn alle?«, fragte er.
»Arbeiten«, sagte Fowler. »Arbeit und Ausbildung.«
»Arbeiten?«, wiederholte Reacher. »Woran arbeiten sie denn?«
»Sie bauen an der südlichen Befestigung«, sagte Fowler. »An einigen Stellen sind die Schluchten dort nicht tief genug. Da könnten Panzer durchkommen. Wissen Sie, wie eine Panzersperre aussieht?«
Reacher sah ihn mit ausdruckslosem Blick an. Er wusste es. Aber er hatte nicht vor, Fowler davon in Kenntnis zu setzen, wie gut er informiert war. Also sah er ihn bloß fragend an.
»Man fällt ein paar Bäume«, sagte Fowler. »Jeden fünften oder sechsten Baum hackt man um. Man lässt sie so fallen,
dass sie vom Feind abgewandt sind. Die Bäume hier in der Gegend sind hauptsächlich Kiefern, und deren Äste sind sehr sperrig, ja? Wenn man sie fällt, fahren die Panzer auf das untere Ende des Baums auf und versuchen, ihn vor sich herzuschieben. Aber die Äste verhaken sich in den Bäumen, die man stehengelassen hat. Und über kurz oder lang versucht der Panzer, zwei oder drei Bäume wegzuschieben. Dann vier oder fünf, und das geht nicht. Selbst ein schwerer Panzer, wie ein Abrams, schafft das nicht. Sogar die großen russischen Panzer hätten keine Chance. Das nennt man eine Panzersperre, Reacher. Wir setzen die Macht der Natur gegen sie ein. Durch diese verdammten Bäume kommen sie nicht, das steht fest. Die Sowjets haben das gegen Hitler eingesetzt, in Kursk, im Zweiten Weltkrieg. Ein alter Kommunistentrick. Und jetzt setzen wir ihn gegen unsere Feinde ein.«
»Was ist mit Infanterie?«, sagte Reacher. »Panzer werden doch nicht alleine hier auftauchen. Die werden Infanterie dabei haben. Und die arbeiten sich dann einfach nach vorn und beseitigen die Bäume.«
Fowler grinste.
»Ja, das werden sie versuchen«, sagte er. »Und dann werden sie ihre Versuche einstellen. Wir haben Maschinengewehrstellungen, fünfzig Meter nördlich von den Panzersperren. Wir werden sie in Fetzen schießen.«
Jetzt kam die vorsichtige Frau mit einem Tablett in der Hand wieder aus der Küche. Sie stellte es vor Reacher auf den Tisch. Eier, Speck, Bratkartoffeln, Bohnen, alles auf einem Emailteller. Ein Metallbecher mit dampfendem Kaffee. Billiges Geschirr.
»Guten Appetit«, sagte sie.
»Danke«, sagte Reacher.
»Ich kriege wohl keinen Kaffee?«, fragte Fowler.
Die vorsichtige Frau deutete nach hinten.
»Bedienen Sie sich selbst«, sagte sie.
Fowler sah Reacher mit hilflosem Blick an und stand auf. Reachers Gesichtsausdruck blieb unverändert. Fowler ging zur Küche und schob den Kopf durch die Tür. Die Frau blickte ihm nach und legte dann Reacher die Hand auf den Arm.
»Ich muss mit Ihnen reden«, flüsterte sie. »Kommen Sie heute Abend, nachdem die Lichter gelöscht worden sind. Ich warte vor der Küchentür auf Sie, okay?«
»Sagen Sie mir’s jetzt«, antwortete Reacher, ebenfalls flüsternd. »Bis dahin bin ich vielleicht schon nicht mehr da.«
»Sie müssen uns helfen«, hauchte die Frau.
Dann kam Fowler wieder aus der Küche, und die Augen der Frau weiteten sich erschreckt. Sie richtete sich
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