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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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besaßen. Es war ein Hardcover, der Plastikschutz vergilbt, brüchig und zusammengeklebt. Dieses Exemplar würde Ian gewählt haben, eher als alle anderen. Das Exemplar, von dem man sich am leichtesten vorstellen konnte, es wäre von einem Spuk heimgesucht. Auf die alte, vergessene Leihkarte vorn, unter den Eintrag »Matthew Lloyd, 2. 4. 91«, schrieb ich »Ian Drake« und das Datum, an dem wir die Stadt verlassen hatten. Ich war mir nicht sicher, warum ich das tat, es war fast wie eine der Spuren, die Serientäter für die Polizei hinterlassen, einer der Hinweise, die wie Hohn wirken, aber eigentlich eine flehende Bitte sind, sie endlich zu schnappen. Trotzdem war es das nicht, da war ich mir sicher. Es war auch keine Botschaft an Ian – konnte es nicht sein, wenn er nie mehr in die Bibliothek kam.
    Ich stellte mir vor, wie er das Buch mit dreißig finden würde, wenn er zur Beerdigung seines Vaters in die Stadt zurückkäme und die Lieblingsplätze seiner Kindheit aufsuchte. Bis dahin würde er das Buch hoffentlich gelesen haben, und vielleicht würde es ihn daran erinnern, dass ich eine Absicht gehabt hatte, wenn auch nur eine vage und inkompetente, als ich ihn zu einem Roman über einen kleinen Mann hingeführt hatte, der auf Reisen ging, um alle Monster zu besiegen. Aber eigentlich passte diese Metapher nicht, und als ich nun darüber nachdachte, war ich diejenige, die sehr viel gemeinsam hatte mit dem unwissenden Dieb, der mit solcher Macht einem Abenteuer ausgesetzt wurde. Ich betrachtete die Titelseite und sah den Untertitel, den ich bestimmt irgendwann einmal gekannt hatte: Hin und zurück. Klar. Man geht immer zurück. Und unterwegs hatte ich nicht einmal den Drachen getötet.
    Als Nächstes fuhr ich zu meiner Wohnung. Es war fast zwei Monate her, seit Tim gesagt hatte, Charlton Heston sei da gewesen, um mich zu befragen. Dennoch wollte ich nicht riskieren, das Haus durch die Vordertür zu betreten. Stattdessen nahm ich den Theatereingang und ging durch das leere, mit einem roten Teppich ausgelegte Foyer, vorbei an den gerahmten Programmen und der Schale mit Hustenbonbons.
    Ich packte meine Sachen ein, für die ein paar wenige Kartons reichten. Mein Vater hatte versprochen, mir neue Möbel und neue Kleider zu kaufen. Ich wollte nicht wissen, woher das Geld stammte, ich würde es nehmen. Meine alten Sachen wollte ich nicht mehr, sie waren verstaubt und still und seit Monaten nicht mehr berührt worden. Es war wie in einem Geisterhaus: Irgendeine Frau hatte hier gelebt, sie war aber schon lange verstorben. Man achte darauf, ihren Geist nicht zu stören.
    Ich trug die Kartons, einen nach dem anderen, durch das Foyer in mein Auto. An diesem Abend fand keine Aufführung statt, aber vom Saal her hörte ich die Geräusche einer Probe. Bei meinem letzten Gang blieb ich an der Tür stehen und beobachtete die Schauspieler auf der Bühne, wohl wissend, dass sie mich nicht sehen konnten. Sie spielten nicht – sie kauerten auf dem Boden und betrachteten irgendetwas. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich, dass sie fünf Erste-Hilfe-Puppen vor sich liegen hatten. Ein großer Mann mit Glatze, in einer Eishockeyjacke und mit einem Klemmbrett in der Hand, gab ihnen laut Anweisungen: »Nase zuhalten, sonst geht die Luft gleich wieder raus! Fest zudrücken!« Ich fragte mich, ob sie das aus gesetzlichen Gründen lernten, wegen des schmerbäuchigen Babyboom-Generation-Publikums im Großraum Hannibal, oder ob sie es für ein Stück brauchten. Oder vielleicht war es ein Theaterstück. Oder eine von Tims Partyideen. Tim kniete vorn auf der Bühne und pustete seiner Attrappe Luft in den Mund, und als sie sich mit Luft füllte, erhob sie sich vom Boden. Er drückte seine Hände immer wieder in die Gummibrust, dabei lösten sich blonde Strähnen aus seinem Pferdeschwanz.
    Auf der Bühne lachte die rothaarige Schauspielerin, als sie bei ihrem Dummy nach dem nicht existierenden Puls tastete. Sie packte die Puppe an den Schultern und schüttelte sie. »Um Himmels willen, Clyde!«, schrie sie. »Verlass mich nicht! Jetzt nicht! Wer soll sich um das Baby kümmern?«
    »Okay«, sagte der Trainer. »Sie haben doch nicht vor, Ihr Opfer zu schütteln. Sie überprüfen jetzt die Atmung. Ja, legen Sie es auf den Boden.«
    Aber sie hatte ihr Publikum. Sie wollte nicht aufhören. »Sie!«, schrie sie und deutete auf die leeren Stühle. »Stehen Sie doch nicht hier herum, rufen Sie den Notarzt! Sie! Dieser Mann

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