Ausgeloescht
ein letztes Exempel für dich und andere dienen. Solange man mich jagt, werde ich euch bestrafen.«
Er hatte seine Hände hinter dem Rücken gehalten. Jetzt holt er sie nach vorn, wo ich sie sehen kann. Sie stecken in Handschuhen, und in der Rechten hält er ein Messer. Er sagt nichts weiter. Er geht zur Seite und trennt mir mit einer einzigen Bewegung den kleinen Finger der rechten Hand ab, direkt unter dem ersten Knöchel.
Ich schreie und schreie. Ich kann nicht aufhören. Mein Bewusstsein schwindet. Diesmal brauche ich keine Hilfe.
In diesem Augenblick sehe ich es wieder - Dalis körperliches Merkmal, das ich vor Tagen bemerkt hatte, ohne es fassen zu können. Und ich weiß endlich, was es ist, ehe die Besinnungslosigkeit, diese willkommene Schwester, mich wieder verschlingt.
»Jemand soll einen Rettungswagen rufen!« »Was ist denn mit ihr?«
»Mein Gott, haben Sie ihr Gesicht gesehen?« »Vergessen Sie das Gesicht - was ist mit ihrem Finger?«
Die Stimmen schwellen an und ab, so wie die Betäubungsmittel in meinem Blut und der Schmerz in meinem Finger an- und abschwellen.
Unter mir ist Beton. Mein Mund ist so trocken, als wäre er mit Staub gefüllt. Um mich herum stehen Unbekannte mit Handys und mustern mich mit besorgten Blicken.
Ich sehe eine Frau, die wie meine Mutter aussieht, und strecke ihr die Arme entgegen.
»Bitte ...« Mehr bringe ich nicht hervor.
Sie zögert. Dann kommt sie zu mir und zieht mich an sich. Sie ist nicht meine Mutter, aber das ist niemand.
Kapitel 35
Die Tür fliegt auf. Bonnie stürmt ins Krankenzimmer und wirft sich in meine Arme. Sie schluchzt und zittert am ganzen Leib. »Smoky!«
Ich ziehe sie an mich und nehme den Duft ihres Haares in mich auf, während ich ihr die Lippen auf den Scheitel drücke.
»Mit mir ist alles okay, Schatz. Alles okay.«
Soweit man das sagen kann, stimmt es sogar. Dali hat mich in der Nähe des Hollywood Boulevard nackt auf einen Bürgersteig geworfen. Die Frau, die wie meine Mutter aussah, übergab mich den Rettungssanitätern, und dann hörte ich das Heulen der Sirenen des Rettungswagens, als ich ständig in Bewusstlosigkeit versank, um Augenblicke später wieder daraus zu erwachen. Mein Fingerstumpf musste operiert werden, doch eine Vollnarkose wies ich trotz aller ärztlichen Überredungsversuche wegen meines Babys zurück. Die Behandlung des Knochens war schmerzhaft, aber ich ließ es über mich ergehen. Die Ärzte hielten mich für verrückt, konnten mich aber nicht umstimmen. Als Tommy schließlich einsah, dass ich niemals nachgeben würde, stellte er sich auf meine Seite.
Das Baby, wurde mir versichert, lebe noch. Ich habe mir auch keine Sorgen gemacht, keine wirklichen Sorgen, denn ich hatte es in mir gespürt, dieses schwache Bewusstsein, mit dem ich so oft gesprochen hatte, das nun aber schwieg. Obwohl ich wusste, dass alles nur Selbsttäuschung und Traum gewesen war - ich hätte es gemerkt, wenn mein Baby gestorben wäre.
Eigenartigerweise sind es nicht der Verlust des Fingerglieds oder die neuen Narben auf meinem Rücken, die ich als größte Verletzung empfinde, sondern dass Dali mir den Kopf kahl rasiert hat, ehe er mich mittags auf den Bürgersteig warf. Das ist das Schlimmste.
Abgesehen von Leo natürlich.
Aber daran kann ich jetzt noch nicht denken. Auf keinen Fall. Das ist ein bodenloser, dunkler Ozean, der nur darauf wartet, mich in seine unergründlichen Tiefen zu ziehen.
»Entschuldige, dass du warten musstest«, flüstere ich Bonnie zu. »Ich war noch nicht so weit, mich sehen zu lassen.«
Sie nickt an meiner Brust. Sie versteht. Natürlich versteht sie. Tommy setzt sich neben das Bett und blickt aus dem Fenster in den Frühaprilhimmel. Seit meiner Rückkehr ist er sehr, sehr still gewesen. Ich finde einfach keine Verbindung zu ihm.
Das FBI und das LAPD haben die Stadt auf den Kopf gestellt, als sie nach mir suchten. Kein Kompetenzgerangel, keine Klagen wegen Überstunden. Jeder hat getan, was er konnte, weil jeder Cop die Wahrheit kennt: Es kann jederzeit einen selbst treffen. In dieser Hinsicht hatte Dali richtig vermutet, nur die Reaktion hatte er falsch eingeschätzt.
Mein eigenes Team hat kaum geschlafen, angetrieben von einem verbissenen AD Jones, dem immer wieder die Sicherung durchbrannte und der mehr brüllte, als dass er sprach.
Doch sie haben nichts gefunden. Ich mache ihnen deshalb keine Vorwürfe, aber dass es so ist, hilft nicht gerade gegen meine Albträume. Wenn ich allein bin, lässt
Weitere Kostenlose Bücher