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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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nicht mehr ausgleichen. Ihr Verhaltensmuster zerfällt.
    Sätze kommen mir in den Sinn:
    Ich habe eine Münze geworfen.
    Ich bin kein grausamer Mensch.
    Mercy hat sie gesagt, als ich in ihrem privaten Gulag gefangen war. Damals widersprachen sie ihrem Profil. Jetzt ergeben sie Sinn.
    »Mich zu zwingen, die Entscheidung über Leo zu treffen, und mich überzeugen zu wollen, dass es Ihnen wichtig erschien, nicht für grausam gehalten zu werden -das gehörte alles dazu, richtig? Es sollte Sie ein wenig verrückt erscheinen lassen.«
    Sie lächelt, aber weder aus Vergnügen noch Grausamkeit; diese Empfindungen scheinen ihr abzugehen. »Das ist richtig. Die SMS und die Abweichung im Fall Hollister gehörten ebenfalls zu diesem Plan. Sie waren unlogische Änderungen an einer bislang fehlerlosen Methodik. Mein Plan sah vor, immer mehr Anzeichen für anomales Verhalten meinerseits zu liefern, bis ein gewaltiger, offensichtlicher Fehler glaubwürdig mir zugeschrieben werden könnte. Sie hätten angenommen, ich litte unter Dekompensation, und die Unfähigkeit nicht infrage gestellt, die Sie direkt zu mir führte.«
    »Deshalb ließen Sie auch tote Opfer zurück, die wir finden konnten, richtig? Um uns zu zeigen, dass es nur Geschäft war und dass Sie nicht wussten, dass Sie allmählich den Verstand verloren?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Wie ich schon sagte.«
    Ich klopfe mit einem Kugelschreiber auf den Notizblock vor mir. »Das alles ist ja sehr elegant, Mercy, aber eine große Frage bleibt unbeantwortet: Warum das alles auf sich nehmen? Niemand wusste überhaupt, dass Sie existierten. Warum nicht einfach fortgehen?«
    Sie bedenkt mich mit einem duldsamen, fast mitleidigen Blick.
    »Was ich schon sagte, gilt auch hier: Nicht alle Faktoren zu kontrollieren, die man kontrollieren kann, ist Unfähigkeit. Wenn ich >einfach weggegangen< wäre, wie Sie es ausdrücken, hätte ich unkontrollierte Faktoren zurückgelassen, die mir vielleicht schaden konnten. Niemand wusste, dass es mich gab, aber das hätte sich ändern können. Jemand wie Sie hätte vielleicht ein Muster entdeckt, wäre misstrauisch geworden und hätte sich näher damit befasst. Es war immer möglich, dass ich eine Winzigkeit übersehen oder einen kleinen Fehler begangen hätte.« Sie schüttelt verneinend den Kopf. »Hoffnung ist kein lebensfähiges Szenario. Gewissheit schon.«
    Ich höre mir das alles an, und es verschlägt mir beinahe so sehr die Sprache, wie es mich aufklärt.
    Woran erinnert mich das? An einen Computerausdruck. Ach ja, richtig: »Müll rein, Müll raus.«
    Mercy hat sich in die Notwendigkeit verkrallt, jede Möglichkeit einzukalkulieren. Am Ende war es dieses Bedürfnis, alles zu kontrollieren, das ihr zum Verhängnis wurde. Pragmatische Einfachheit unterlag einer Überfülle von Komplexität. Womit sie brilliert hat, wurde zu ihrer Psychose.
    Eine andere Frage kommt mir in den Sinn. Ich zögere, ehe ich sie stelle, weil ich nicht sicher bin, ob ich die Antwort wirklich wissen möchte.
    »Was hätten Sie getan, Mercy, wenn ich Ihnen gesagt hätte, Sie sollten an Leos Stelle mich nehmen?«
    »Oh, ich hätte ihn trotzdem ausgewählt. Sie waren ein unverzichtbarer Teil meines Planes. Er nicht. Es hätte keine Rolle gespielt. Ohne ersichtlichen Grund gegen meine eigenen Regeln zu verstoßen, hätte mich letzten Endes nur noch irrationaler erscheinen lassen.«
    Ich habe meiner Trauer und meiner Wut wegen Leo viel Zeit gewidmet. Ich habe meine eigenen Tiefen ausgelotet, und obwohl ich keinen Frieden gefunden habe, ist es mir doch gelungen, mein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Nun droht Mercys Offenbarung mich umzuwerfen. Ich spüre, wie Wut in mir aufsteigt. Sie spricht zu mir, beschwört mich, dass es vielleicht keine so schlechte Idee wäre, Mercy Lane doch noch zu töten. Ich kämpfe dagegen an, und es gelingt mir, meinen Zorn zu unterdrücken.
    Ich werde mich später damit befassen, aber nicht hier.
    »Machen wir weiter.« Mein Stimme klingt ein bisschen heiser. Ich räuspere mich. »Ich möchte über Ihre Methodik sprechen.« »Gewiss.«
    Ich breite die Hände aus, die Handflächen nach oben, eine fragende Geste. »Warum haben Sie sie behalten?«
    Sie runzelt die Stirn. »Ich verstehe nicht. Weshalb habe ich was behalten?«
    »Die Entführungsopfer. Wieso haben Sie sie behalten? Wir haben unsere Theorie, aber ich möchte hören, was Sie zu sagen haben. Wenn Geld Ihr Beweggrund war, war das dann keine unnötige Ausgabe?«
    Sie nickt. »Ich

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