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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Zeitlang. »Ja«, sagt er schließlich. »Ich glaube, das ist wahr.« Mit einer Handbewegung entlässt er uns. »Raus hier. Ich verkaufe jetzt Ihre Seele.«
    Tommy fährt uns nach Hause. Er ist auf dem Rückweg genauso still wie auf der Hinfahrt. Ich weiß im Augenblick nicht, was ich von ihm halten soll. Kirby wirkt unbesorgt und begnügt sich damit zu schweigen, solange das Radio läuft.
    Wir biegen auf unsere Einfahrt ein, als die Sonne aufgeht.
    »Hüpft raus und gebt mir die Schlüssel«, sagt Kirby, frisch und fröhlich, eine blonde, von Schuld unberührte Pontia Pilata. »Ich entsorge die Karre und die Kanonen, dann haben wir es hinter uns.« Sie zwinkert mir zu. »Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas, richtig?«
     
    Tommy sitzt auf der Bettkante und betrachtet seine Hände. Ich sitze neben ihm. Sein Schweigen ist zu etwas alles Beherrschendem geworden, wie eine Wand aus Rauch oder eine Nebelbank.
    »Tommy«, wage ich mich vor. »Kann ich dich etwas fragen?«
    »Sicher.« Er sieht weiter auf seine Hände. Seine Stimme klingt, als käme sie aus weiter Ferne.
    »Ist alles in Ordnung zwischen uns?«
    Seine Augen richten sich nun auf mich, aber er wirkt verwirrt, als hätte ich ihn gerade erst wachgeschüttelt.
    »Natürlich ist zwischen uns alles in Ordnung. Zwischen uns ist alles bestens.«
    »Was ist dann los? Du bist ein schweigsamer Mensch, aber du schweigst sonst nie so lange.«
    Er schaut auf die Wand. »Wir hätten fast einen Menschen ermordet, Smoky«, murmelt er. »Wir haben sie gejagt und waren bereit, sie hinzurichten und ihre Leiche in der Wüste zu vergraben. Das hat einiges Nachdenken verdient. Das verdient meine Aufmerksamkeit. Verstehe mich nicht falsch, ich wusste, dass wir das vorhatten. Ich habe meinen Teil des Plans mit offenen Augen ausgeführt. Aber wir hätten fast kaltblütig ein Leben genommen. Du hast uns vom Rand des Abgrunds zurückgerissen, aber ohne dich hätte ich es getan. Und ich will es nicht unterdrücken oder beiseiteschieben oder auf irgendeine andere Weise ignorieren. Ich will es empfinden.«
    Ich schlucke meine Trauer und meinen Schmerz und die Abscheu vor mir selbst hinunter.
    »Wie fühlt es sich an?«, frage ich ihn.
    Er antwortet nicht sofort. Ich sehe seinen inneren Kampf. Ich bemerke Anzeichen von Traurigkeit und Kraft, eine Mischung aus Liebe und Verlust, und über allem Standhaftigkeit.
    Tommy ist ein Unbeugsamer, wie mein Dad es nannte. »Ein Unbeugsamer«, sagte er zu mir, »ist ein Mensch, der alles ertragen kann, ohne zu vergessen, wer er ist. Wie diese Frau, von der ich neulich gelesen habe. Sie und ihre Familie kamen während des Zweiten Weltkriegs in ein Konzentrationslager. Sie war fünfundzwanzig, mit ihrer ersten Liebe verheiratet, und hatte drei Kinder. Sie war die Einzige, die den Holocaust lebend überstanden hatte. Sie wurde gesund, fand eine neue Liebe, bekam noch zwei Söhne und starb in hohem Alter, umgeben von ihren Kindern und Enkelkindern. Sie war eine Unbeugsame. Deine Mutter ist auch eine.«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich? Nein, ich bin kein Unbeugsamer.«
    Auch wenn Dad ein Träumer war, er schätzte sich immer richtig ein. Ich glaube, das ist einer der Gründe, weshalb Mom ihn geliebt hat.
    »Es fühlt sich schlimm an«, sagt Tommy. Er ballt die Fäuste und löst sie wieder. »Aber das geht vorbei.«
    Ich komme in seine Arme, ein Zeichen von Zustimmung, aber im Grunde meines Herzens, dort, wo wir immer allein sind, bin ich weniger sicher.
    Was bin ich eigentlich?
    Bin ich eine Unbeugsame?
     
    Wir dösen den ganzen Morgen. Es ist ein unruhiger Schlummer, erfüllt von Träumen, die ich im gleichen Augenblick vergessen habe, in dem ich aus dem Schlaf fahre. Nur ein Bild darf ich behalten: meine Mutter, die schweigt. Sie betrachtet mich, nicht verurteilend, nicht traurig, sondern warnend, obwohl sie versteht.
    Vergiss nicht den Leuchtturm, scheinen ihre Augen zu sagen. Schwimm nicht zu weit hinaus. Vergiss das nicht, Schatz, denn dieses Meer ist dunkel und bodenlos, und wenn du versinkst, ist es für immer.
    Ich kuschle mich an meinen Mann und suche nach dem Frieden, den er mir schenken kann.
     

Kapitel 41
    »Wie hieß Ihr Vater?«
    »Thomas Richard Lane.
Corporal 
Thomas Richard Lane.«
    Da wären wir wieder,
denke ich.
Wieder in der Mitte des Kreises.
    In einem kalten Verhörraum mit Betonwänden sitze ich vor Mercy Lane. Wir sind allein. Die Wände schlucken jedes Geräusch, und das macht mir Gänsehaut, denn es erinnert mich an die

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