Ausgeloescht
noch ein paar Sekunden lang mit unergründlichem Blick; dann zieht er behutsam die Tür hinter sich zu und lässt uns allein.
Bonnie hat bis zur Erschöpfung geweint. Sie liegt in meinem Schoß. Sie ist zu groß, um es dort bequem zu haben, will mich aber nicht loslassen. »Es tut mir so leid ...«, flüstert sie.
Ich streiche ihr übers Haar. »Ich weiß, Schatz, glaub mir.«
Wieder verfallen wir in Schweigen. Bonnie seufzt, und ich streiche ihr weiter übers Haar. Ich schaue aus dem Fenster, und da steht mein alter Widersacher am Himmel, der Mond.
So sieht man sich wieder.
»Hör zu, Schatz«, sage ich zu Bonnie, nachdem einige Zeit verstrichen ist. »Es ist nichts Verkehrtes, wenn du dir vornimmst, meinen Beruf zu ergreifen. Das ist nicht der Job, den ich mir für dich wünschen würde, aber wenn du es in ein paar Jahren immer noch willst, werde ich dich unterstützen.«
»Ich will es ganz bestimmt«, sagt sie.
»Aber es muss Grenzen geben, Bonnie. Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns und den Leuten, die ich jage. Wir können sie verstehen, aber wir werden niemals sein wie sie, begreifst du das?«
»Ich glaub schon.«
Ich suche nach einem Vergleich. »Stell dir vor, du bist ein Leuchtturm. Egal wie neblig es ist oder wie stürmisch die See ist, der Leuchtturm führt dich nach Hause.
Aber wenn du diesen Leuten zu nahe kommst, wenn du zu weit gehst, kann das Licht verlöschen. Du wirst dann zwar nicht so, wie sie sind, aber du verlierst dich.«
Eine Zeit lang sagt sie nichts und denkt darüber nach. Schließlich fragt sie: »Wenn das Licht ausgeht, kann es auch wieder angehen?«
»Fast nie.«
»Was ist das für ein Licht?« Bonnie kuschelt sich in meinen Arm.
»Die Liebe. Unser größter Vorteil gegenüber bösen Menschen ist, dass sie nicht verstehen, wie wir denken. Sie können einfach nicht verstehen, wie wir uns so sehr lieben können. Das ist der Hauptgrund, warum sie uns so hassen. Die Liebe ist das Licht.«
Bonnie schläft endlich. Ich habe mich zu ihr gelegt, solange sie versucht hat, Schlaf zu finden. Immer wieder ist sie aufgewacht und hat sich vergewissert, ob ich noch da bin. Ich habe gewartet, bis sie fest schlief. Dann habe ich mich von ihr gelöst und bin ins Schlafzimmer gegangen.
Ich ziehe mich aus. Meine Kleidung riecht nach dem Salz von Bonnies schweißnasser Stirn und ihren Tränen. Nackt krieche ich neben Tommy ins Bett und strecke die Hände nach ihm aus.
»Wie geht es ihr?«, fragt er.
»Es wird schon wieder.«
»Und bei dir?«
Ich schüttle den Kopf; dann erst wird mir klar, dass Tommy es im Dunkeln nicht sehen kann. »Nicht so richtig. Kannst du das ändern?«
Er zieht mich an sich und küsst mir die Tränen weg; dann sucht er meine Lippen, eher wir auf die süßeste Art zusammenkommen. Hinterher liege ich neben ihm, den Kopf auf seiner Brust, und lausche dem Pochen seines Herzens und seinem langsamen, regelmäßigen Atmen. Er ist nach dem Sex eingeschlafen, und auch ich bin jetzt todmüde, mache aber noch einmal die Augen auf, um den Mond zu betrachten und ein paar Worte zum Gott zu flüstern, auch wenn ich meine Probleme mit ihm habe.
Danke, dass du mir gezeigt hast, wie ich zu Bonnie durchdringen kann,
sage ich zu ihm.
Mach weiter so, dann gibt es vielleicht Waffenruhe zwischen uns.
Wahrscheinlich hat es nichts zu sagen, aber genau in diesem Moment verschwindet der Mond hinter einer Wolke, und ich stelle mir vor, dass Er es ist -der, an dem ich mehr zweifle, als dass ich an ihn glaube - und dass Er zu mir sagt:
Gern geschehen.
Kapitel 8
Einmal setzte sein Vater sich auf die Couch im Wohnzimmer. Er klopfte auf den Platz neben sich.
»Komm näher, Sohn. Ich möchte dir etwas zeigen.«
Der Junge gehorchte und ließ sich auf das alte Möbelstück mit dem verblassten Karomuster nieder. So war alles in ihrem Haus: zweckdienlich, aber durch Gebrauch und Alter verschlissen. Sie waren weder reich noch arm, doch sein Vater hatte die bitterste Armut erlebt, die man sich vorstellen kann; deshalb behielten sie die Möbel und andere Dinge, bis sie nicht mehr zu gebrauchen waren.
Sein Vater nahm ein großes Buch vom Couchtisch und legte es sich auf die Knie. Auf dem Einband war ein Foto, das einen Berg schmelzender Zifferblätter zeigt.
»Lies laut, was da steht«, verlangte sein Vater.
»Leben und Werk von Salvador Dali«, sagte der Junge und sprach den Namen »Dalei« aus. Sein Vater verbesserte ihn und ließ es ihn noch einmal sagen.
»Dali war ein Maler.
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