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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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übrig?
     
    »Willkommen zu Hause«, sagt Tommy. Sein Blick ist bedrückt, sein Kuss flüchtig. »Was ist los?« Ich schaue mich um. »Wo ist Bonnie?« »Es ist etwas passiert«, sagt er. »Komm, setzen wir uns.«
    Angst erfasst mich. Meine rechte Hand zuckt zur Waffe, eine unwillkürliche Bewegung. »Bonnie? Ist ihr etwas zugestoßen?«
    Tommy greift beruhigend nach meiner Waffenhand. Seine Berührung ist sanft. »Nein. Komm, setzen wir uns.«
    Ich lasse mich zum Sofa führen. Ich bin aufgeregt. Die kleinen Alltagsschwierigkeiten sorgen sonst nur bei mir für Gereiztheit, egal ob lauwarmer Kaffee, ein überzogenes Konto oder ein rücksichtsloser Fahrstil. Tommy bringt so etwas gar nicht aus der Ruhe. Doch jetzt ist auch er nervös und bedrückt, und das erschreckt mich umso mehr.
    »Bonnie hat vor ein paar Tagen etwas Dummes getan«, sagt er. »Sie fühlt sich schrecklich deswegen, deshalb hat sie es mir gestanden. Sie hatte es in sich hineingefressen. Aber als wir vorhin nach Hause kamen, hat sie sich mir anvertraut.«
    Ich schließe die Augen und atme ein wenig auf. Das ist vertrautes Terrain. Kinder stellen manchmal etwas an. Damit umzugehen gehört zum Elterndasein. Tommy aber hat keine Kinder; deshalb trifft es ihn so unvorbereitet.
    Ich mache die Augen auf und lege ihm eine Hand aufs Knie.
    »Was hat sie angestellt? Ladendiebstahl? Oder hat sie ein anderes Kind verprügelt?«
    Tommys Blick wandert zögernd zu meinen Augen. »Sie hat eine Katze getötet.« Ich starre ihn an. »Was?« Ich muss mich verhört haben.
    »Sie hat eine streunende Katze getötet. Vor zwei Tagen. Sie hat sie in den Garten gebracht und ihr mit der Sportpistole aus dem Waffensafe in den Kopf geschossen.«
    Ich kann es nicht fassen. »Aber ... wie ist sie an die Safekombination gekommen?«
    »Sie hat sie erraten: Alexas Geburtsdatum.«
    Dumm von mir, wirklich dumm.
    »Hat sie gesagt, warum sie das getan hat?«
    Ich wundere mich, wie ruhig meine Stimme sich anhört. Wir könnten ebenso gut über einen Auflauf reden.
    »Ja. Aber ich will, dass sie es dir selbst sagt.«
    Er schaut weg, kann mir nicht mehr in die Augen blicken. In meinem Magen regen sich Angst und düstere Vorahnungen. »Sag du es mir, Tommy.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Du musst es von ihr selbst hören. Du solltest sie sehen, wenn sie es sagt.«
    »Warum?« Jetzt höre ich Angst in meiner Stimme. Sie hat den Weg in meine Stimmbänder gefunden.
    Tommy nimmt meine Hände. »Weil ich ihr glaube. Du sicher auch ... aber nur, wenn du ihr dabei in die Augen siehst.«
    Ich reiße meine Hände los. Sie zittern.
    »Geh zu ihr«, sagt Tommy. »Sie wartet in ihrem Zimmer auf dich.«
     
    Ich stehe vor Bonnies Tür. Ich habe die Hand zum Anklopfen erhoben, lasse sie dann aber sinken und greife stattdessen an den Türknauf.
    Bonnie hat eine Katze getötet. In den Kopf geschossen. Egal, warum sie das getan hat, sie hat ihr Recht auf Privatsphäre verloren.
    Ich gebe mir einen Ruck und öffne die Tür.
    Bonnie liegt auf dem Bett. Sie starrt an die Decke. Ihr Gesicht ist ausdruckslos, aber sie weint. Sie dreht nicht den Kopf, als ich hereinkomme. »Bonnie.«
    »Es tut mir leid ...«, schluchzt sie.
    »Das schafft es nicht aus der Welt. Ich möchte, dass du es mir erklärst.«
    Sie wischt sich mit dem Handrücken die Tränen weg. Ihr Seufzer klingt so müde, so resigniert, dass es mir ins Herz schneidet. Ich möchte sie in die Arme nehmen, bezwinge mich aber. Jetzt ist nicht der Augenblick, ihr Trost zu spenden.
    Bonnie rafft sich mühsam auf. Ihre Beine hängen über die Bettkante, und ihr Blick bleibt von mir abgewandt.
    »Was ist passiert?«, frage ich. Ich fürchte mich vor der Antwort, aber ich muss alles erfahren.
    Bonnie hebt den Kopf, schaut mit ihren blauen Augen in meine braunen.
    »Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt.«
    »Eine Katze zu töten?«
    Sie schlägt den Blick nieder. Nickt.
    »Wozu?«
    »Weil...« Sie zögert. »Weil es so bei ihnen losgeht.«
    »Bei wem?«
    Sie schaut mich an, und die Trostlosigkeit in ihren Augen erschüttert mich. Jedes Auge ist eine Wüste aus Fels, Sand und Wind.
    »Du weißt schon. Bei Serienmördern.« Beschämt sieht sie zu Boden.
    Ich bin still. Mir fällt das Denken schwer, mehr noch als das Sprechen. Bonnie hätte mir ebenso gut ins Gesicht schlagen können.
    »Und?« Ich komme mir vor wie in einem Alptraum, wo ich mich durch zähen Morast wühle. »Du hast einer Katze in den Kopf geschossen, weil Serienmörder anfangs kleine Tiere

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