Ausgeloescht
bewusst diese respektvolle Anrede, denn Cooper strahlt eine ruhige Autorität aus, die aus Alter und Erfahrung erwächst. Er wirkt wie ein Lehrer, dem man zuhören sollte. Diese Aura umgibt ihn wie ein Mantel aus stiller Gewissheit.
»Woher kommen Sie?«, fragt Alan.
»Aus Texas. In bin in der Nähe von Dallas zu Hause. Aber ich komme jedes Jahr für drei Monate hierher. Beratertätigkeit und Vorträge. Das hält mich ganz schön auf Trab.«
»Sind Sie Cowboy, Earl?«, fragt Callie neckend.
Er lächelt sie an, und sein Gesicht hellt sich auf. »Nein. Ich bin bloß ein Akademiker in Cowboystiefeln. Aber Schießen ist eines meiner Hobbys.« »Mit welcher Waffe schießen Sie?«, frage ich.
»Am liebsten mit einer Neunmillimeter«, sagt er. »Einige meiner Zeitgenossen halten das für ein Sakrileg, aber das ist mir egal. Ich wollte eine Waffe, die mir gefällt, und das war nun mal die Neunmillimeter.«
»Ich habe eine Glock.« Ich ziehe meine Jacke zur Seite, damit er sie sieht.
Er blickt mich neugierig an. »Sind Sie eine gute Schützin?«
»Gut?«, sagt Callie. »Sie ist ein Naturtalent.« »Tatsache?«
»Tatsache.« Wenn es um das Schießen geht, kenne ich keine falsche Bescheidenheit. »Ich habe auf der Grundlage meiner Trefferquote am Schießstand Vergleiche angestellt. Ich würde bei einem Wettbewerb wahrscheinlich unter die besten hundert FBI-Leute kommen.«
»Der Frauen?«, fragt er.
»Männer
und
Frauen.«
Er lächelt. »Das würde ich gerne mal sehen. Die meisten Jungs würden sich schwarzärgern, wenn eine Frau sie schlägt. Sie sollten irgendwann gegen diese Machos antreten.«
Ich erwidere sein Lächeln. Ich finde ihn sympathisch. »Vielleicht tue ich das.«
»Haben wir uns jetzt genug verbrüdert?«, fragt James, unser aller Gewissen, giftig und ungeduldig wie immer. »Können wir uns jetzt endlich der vorliegenden Aufgabe zuwenden?«
Earl zieht die Mundwinkel nach unten. »Zügeln Sie sich, mein Freund.«
»Ich bin nicht Ihr Freund«, erwidert James kühl. »Und da sind noch andere Frauen im Dunkeln eingesperrt, wie kürzlich Heather Hollister.«
Earl nickt. »Der ungeduldige Jäger, der nie die Flinte weglegt oder die Stiefel auszieht. Ich war mal genauso wie Sie, mein Freund. Besser man lernt abzuschalten, sonst ist man eines Tages ausgebrannt.«
»Wir sollten jetzt endlich zur Sache kommen«, sagt James zähneknirschend.
»Geben Sie's auf, Earl«, rät Callie. »So ist James immer. Traurig, aber wahr.«
»Ich weiß. Gut, kommen wir zur Sache. Was kann ich für Sie tun?«
Ich schildere ihm den Fall in allen Einzelheiten. Er hört aufmerksam zu, zwirbelt seine Schnurrbartenden und hakt hin und wieder mit einer knappen Frage nach. Als ich fertig bin, ist er eine Zeit lang still und blickt auf unsere Hieroglyphen an der Tafel.
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen eine große Hilfe sein kann«, beginnt er schließlich, »aber ich sage mal, was ich sehe.«
»Mehr wollen wir auch gar nicht«, entgegne ich. »Was wissen Sie eigentlich über meine Arbeit?«
»Nur das Gröbste. Callie ist unsere Kriminologin. Sie ist in der Forensik bewandert, aber für Spezialgebiete ziehen wir immer Experten wie Sie hinzu.«
»Verstehe. Geografisches Profiling ist das uneheliche Stiefkind der Disziplin«, erklärt Cooper. »Mit anderen Worten, es ist noch nicht das letzte Wort darüber gesprochen. Aus gutem Grund. Es gibt viele Dinge, über die man stolpern kann. Das größte Problem ist ein Mangel an Informationen, wie in Ihrem aktuellen Fall. Geografisches Profiling steht und fällt mit Daten. Es geht um Zahlenverarbeitung und Variablen. Ihr Täter hat vier Personen in drei verschiedenen Staaten nach langer Entführungszeit freigegeben. Er wählt seine Opfer übers Internet aus. Das macht es uns nicht einfacher.
Wir gehen bei den Tätern von vier Grundtypen aus. Es gibt den Jäger, der die Opfer in seinem Heimatterritorium aussucht. Bei diesem Tätertyp funktioniert mein Profiling am besten. Es gibt den Wilderer, der von zu Hause wegreist. Er ist gerissener. Er weiß, dass man nicht in den eigenen Garten scheißt. Dann gibt es den Angler. Er ist Opportunist und wahrscheinlich sehr undiszipliniert. Er sieht etwas, das ihm gefällt, während er mit anderen Dingen beschäftigt ist, und handelt aus dem Impuls heraus. Und schließlich gibt es noch den Fallensteller, der das Opfer zu sich lockt, um die Situation unter Kontrolle zu haben.« »Da überschneiden sich viele Dinge«, bemerke ich.
Er nickt. »So ist
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