Ausgerechnet Souffle'!
die Küche in heilloses Durcheinander. Mutti folgt ihm wie ein Schatten, reicht ihm Gemüse aus dem Kühlschrank, holt Geräte und Werkzeug aus Schränken und Schubladen. Sie sortiert die Gewürze, die er aus den Regalen fegt, und stellt Töpfe und Schalen zurück, die er als unbrauchbar beurteilt. Sie feuert den Ofen an und räumt das Chaos in der Speisekammer auf, als er mit dieser fertig ist. Unablässig macht sie dabei ein freundliches Gesicht. Aus ihrer Behinderung wird eine Gabe. Sie ist die einzige Person, die ihn erträgt. Und ihm bleibt nichts anderes übrig, als diese Tatsache hinzunehmen.
An der gläsernen Trennwand zum Buchladen stehen meine Aushilfe und einige Gäste, die sich die Nasen platt drücken. Mit einem Rauschen zieht er die Jalousie herunter. Nicht, ohne noch einen letzten grimmigen Blick nach draußen zu werfen. Der mich auf der Treppe ebenso trifft. Ich lächle ihn zuvorkommend an, ehe das Rollo auch mir endgültig die Sicht verwehrt.
Sascha zeigt auf die verrammelten Fenster und murmelt:
„Was soll DAS denn??“
Ich zucke die Schultern. Mein alleiniges Ausdrucksmittel heute.
„Er kocht“, meine ich träge und kratze mir die Schläfe.
Und da wir reichlich belämmert in der Gegend herumstehen, beschließen wir, genauso gut mit dem Betrieb fortfahren zu können. Ich brauche erst einmal einen Kaffee. Für Schnaps ist es leider zu früh.
Es vergehen Stunden. Zuerst eine, dann zwei. Louise glättet ihren Tweedrock, bezahlt die Rechnung und packt ihre Bücher samt Notizen ein. Sie wirft einen nachdenklichen Blick zur Küche und fängt den meinen auf. Eine ihrer schmal gezupften Augenbrauen hebt sich leicht, als wolle sie etwas sagen. Doch sie überlegt es sich anders und verabschiedet sich mit einem knappen Senken ihres Kinns.
Viel später sitze ich wieder rauchend auf der Treppe, diesmal in Saschas Gesellschaft. Hund legte sich zu uns, döst ausgestreckt zu unseren Füßen und lässt sich kraulen. Ich werde ihm demnächst ein Flohhalsband kaufen. Und einen Knochen habe ich rein zufällig auch noch zuhause.
Vier Zigarettenlängen darauf mache ich einen vorsichtigen Schritt Richtung Kochstube. Ich möchte nur kurz durch den Spalt … überall dampft es, qualmt und brodelt es. Mit hektischen Bewegungen hetzt der kleine Mann hin und her und brüllt zwischendurch mit wilden Gesten unfreundliche Befehle. Ein wenig erinnert er mich an Rumpelstilzchen. Seine spärliche Matte steht zu Berge, fortwährend redet er mit sich selbst, während er mit geübten Händen schält, schneidet, häckselt, hinzugibt, fortnimmt, riecht, schmeckt und ausspuckt. Mutti folgt ihm aufmerksam, arbeitet ihm zu und verliert dabei keine Sekunde die Contenance. Dem unbeteiligten Beobachter käme nie in den Sinn, dass die beiden jemals etwas anderes gemacht haben, als miteinander zu arbeiten. Ein Schleier aus würzigen Sudaromen legt sich über die dampfenden Kessel, dringt in Haare, Kleidung und Poren ein. Schleicht sich in alle Ecken und Schlitze und verdrückt sich klammheimlich unter die Türritze. Es duftet wunderbar. Sogar Frau Krause, die ihren Müll in den Hinterhof tragen will, bleibt stehen.
Obwohl in der Küche ein ohrenbetäubender Krach herrscht, steht meine Mutter immer noch da drin. Ich muss schadenfroh grinsen, weil seine rüde Art bei Martha Lehner mit Sicherheit auf taube Ohren trifft. Und da ihr Gemüt der stoischen Ruhe einer Elefantenseele gleicht, lässt sie sich vermutlich nicht im Geringsten antreiben oder einschüchtern. Ein irritierend köstlicher Duft schwebt durch den Laden, der eindeutig seinen Ursprung in der verbotenen Zone hat. Ich nehme ihn in demselben Moment wahr, als Saschas Nasenflügel sich blähen wie die Nüstern eines Pferdes. Wir sehen einander wortlos an und Engelchen bietet mir eine weitere Zigarette an.
Auf vorsichtiges Klopfen reagiert niemand, und sobald ich versuche, mir Einlass in - wohlgemerkt - meine Küche zu verschaffen, fliegt mir entweder etwas entgegen oder ich werde unfreundlich abgekanzelt. Einmal erhasche ich den Blick von Mutti. Sie hebt resignierend die Hände und rollt mit den Augen, doch sie scheint glänzender Laune. Was man von dem kleinen Mann beileibe nicht behaupten kann.
Heute schließe ich erst gar nicht. Der Kochkurs beginnt sowieso in dreißig Minuten. Also residieren Sascha und ich einträchtig auf unseren Stufen und ergeben uns dem Schicksal.
*
„Was?! Der Penner ist in unserem Kochstudio????“
Kochstudio. Au Backe. Meine
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