Ausgerockt - [Roman]

holt die Fernbedienung vom Tresen und schaltet den kleinen Fernseher über dem Eingang an.
    »Welches Programm?«, fragt er. Er fühlt sich gut, geradezu entspannt. Er ist sich sicher, dass Holger wieder irgendetwas Seltsames getan hat, trägt es aber mit Fassung.
    »Kanal 7«, antwortet Holger in verschwörerischem Tonfall.
    Linus schaltet um.
    »Das ist American Idol. Ihr habt das auch!«, ruft Cathy begeistert.
    »Bei uns heißt es Deutschland sucht den Megastar «, erklärt Jana. »Ach du Scheiße!« Brunssen hält sich die Augen zu.
    »Geil!«, sagt Lennard.
    »Das bist du?«, fragt Cathy ungläubig.
    Mark kann nichts sagen, denn er kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein.
    Linus starrt verträumt auf den Fernseher. Er muss sich eingestehen, dass er enttäuscht ist.
    Er fand Holgers Wild-Boys -Interpretation gut. Er hat dieses Mal mit einer ähnlichen Darbietung gerechnet, vielleicht I Just Died In Your Arms , nur ohne urinale Begleitung.
    Stattdessen steht Holger einfach nur da, mit schiefem Grinsen, in den heiligen Hallen der DSDM-Endrunde, wo auch immer sie aufgezeichnet worden ist. Abgesehen von einer Vinyl-Schallplatte, die vor seinem Genital klebt, ist er vollkommen nackt. Auf seiner Brust steht mit Lippenstift geschrieben: Rage Hard!
    »Ich fass es nicht. Ich geh nach Hause!«, sagt Brunssen.
    Cathy blickt mit fassungslos geöffnetem Mund auf den Bildschirm.
    Linus macht einen Schritt auf den Schlagzeuger zu, hebt die flach geöffnete Hand. »Schlag ein, Fidel!«
    »Yeah! Clap Hands ist wieder angesagt.« Holger schlägt ein.
    »Wisst ihr, was ich glaube?«, sagt Jana. Sie klingt erstaunt, als komme die Erkenntnis erst mit dem Aussprechen der Worte. »Du machst dich damit nicht mal zum Affen. Weil … weil du nicht irgendjemand bist, sondern der … der Aktionskünstler aus Bremen.«
    »Ich brech zusammen«, sagt Brunssen.
    Linus lehnt an seinem Tresen. Er sieht sich seine Gäste der Reihe nach an. Er folgt ihren Blicken, schaut zum Fernseher.
    Holger tänzelt im gekreischten Hagel des Publikums über die DSDM-Bühne. Er ist ein Flitzer, mit einer Schallplatte vor dem Glied und mit nacktem Hintern. Auf seinem Rücken steht mit Lippenstift geschrieben: DSDM ist doof.
    Linus stemmt seine Hände auf den Tresen, hebt sich rückwärts auf die Arbeitsfläche und lässt die Beine baumeln.
    Er empfindet tiefe Zufriedenheit. Er lässt sie zu, kostet sie aus und hofft, dass es ihm eine gute Übung ist.

Torsten Wohlleben wurde 1974 in der kleinen Seehafenstadt Brake an der Weser geboren. Er arbeitete bei Siemens, in einer Seemannsmission und in einem Landeskrankenhaus, heute ist er bei der Polizei in Oldenburg tätig. Seit über zehn Jahren schreibt Torsten Wohlleben Romane und Kurzprosa. Im Jahr 2000 erschien sein erstes Buch, »Me, myself and her«, 2006 folgte »Schneider – von Null auf 30«. »Ausgerockt« ist seine dritte Veröffentlichung. Torsten Wohlleben lebt in Bremen.

Umschlaggestaltung: Carl Schünemann Verlag Bremen
    Autorenfoto: Privat
    ePub-Erstellung: FUEGO/Friedel Muders
    Deutsche Erstveröffentlichung
    Die Druckausgabe ist erschienen im
    Carl Schünemann Verlag Bremen 2010
    © Carl Ed. Schünemann KG
    www.schuenemann-verlag.de
    ISBN 978-3-7961-1970-5
    Digitale Lizenzausgabe
    mit freundlicher Genehmigung des
    Carl Schünemann Verlags Bremen
    © 2011 FUEGO
    www.fuego.de
    eISBN 978-3-86287-015-8