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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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um Handgelenke und Hals.
    – Oh Mann, Alter, die haben dich ja echt in die Mangel genommen.
    Das Mädchen hält eine Kamera hoch und schießt ein Foto von mir.
    – Das lad ich gleich hoch.
    Sie schaut mich an.
    – Ist doch okay, oder?
    Der Typ telefoniert.
    – Halt durch, Mann. Die Cops sind unterwegs.
    – Habt ihr eine Zigarette?
    Er hört auf zu wählen.
    – Alter, in deinem Zustand solltest du besser mal nicht rauchen.
    Das Mädchen geht neben mir in die Hocke und hält das Telefon eine Armlänge von sich weg, damit wir beide im Bild sind.
    – Jetzt ’ne Zigarette, das würde dich umbringen.
    – Ja, Zigaretten sind tatsächlich tödlich. Wenn du jemandem zum Beispiel eine brennende Zigarette ins Auge rammst, könnte durch die Wunde hochinfektiöser Eiter ins Gehirn gelangen, dieser Jemand könnte wahnsinnig werden, seine eigene Scheiße fressen und daran sterben.
    Sie starren mich an.
    Ich strecke die Hand aus.
    Das Mädchen reicht mir eine Zigarette, wobei sie sie zwischen Zeigefinger und Daumen so weit wie nur möglich von sich weg hält. Ich nehme sie und stecke sie mir in den Mund.
    – Feuer.
    Der Junge fischt ein Bic aus seiner Tasche und gibt mir Feuer.
    – Und jetzt verpisst euch.
    Sie gehorchen.
    Es ist eine gottverdammte American Spirit Light. Schmeckt beschissen. Ich reiße den Filter ab, damit sie nur noch halb so beschissen schmeckt.
    Dann krieche ich aus dem Rinnstein, ziehe die Knarre aus dem Hosenbund und schleppe mich die Stufen neben der Laderampe des Lagerhauses hoch, in dem die Enklave ihr Hauptquartier hat. Nach einem kurzen, höflichen Klopfen reiße ich die große weiße Schiebetür auf und trete ein.
    Ich bin Predo sehr dankbar, dass er mir den Zeige- und Mittelfinger gelassen hat. Sonst könnte ich nicht rauchen. So aber kann ich die Kippe aus dem Mund nehmen und bequem mit mir herumtragen. Und habe noch die andere Hand für die Waffe frei.
    Eine Knarre und eine Kippe.
    Wer mehr verlangt, ist ein gieriges Schwein.
     
    Leider bin ich die Waffe schnell wieder los.
    Aber solange ich sie noch habe, schaue ich mich mal um. Viel zu sehen gibt es ja nicht. Lange Matratzenreihen auf dem Boden. Werkbänke vor den Wänden. Ein paar große Industriespülbecken. Eine Küche, in der sie – wie ich zufällig weiß – die Knochen ihrer Toten kochen, um danach das Mark auszusaugen. Eine Treppe, die zum Obergeschoss führt, wo von einem langen Mittelgang Türen zu Schlafkabinen abgehen. Eine kleine Galerie, von der aus man die Halle übersehen kann und die von ein paar verstreuten Kerzen beleuchtet wird. Schließfächer, in denen sie ihre Habseligkeiten aufbewahren: Lumpen, Becher, vielleicht Strohhalme, um das Knochenmark auszusaugen, Hieb- und Stichwaffen – von Pistolen und dergleichen halten sie nicht viel. Ein paar große Abflüsse im Boden. Ein Gullydeckel in der Ecke, den sie bei Bedarf öffnen, um Leichen oder Abtrünnige in der Kanalisation verschwinden zu lassen. Mich haben sie auch mal in diesen Schacht geworfen. Wahrscheinlich, weil ich so ein unsympathisches Arschloch bin.
    Es ist also alles mehr oder weniger beim Alten. Nur mehr von allem. Mehr als damals, als Daniel noch der Chef war. Man sieht die Vorboten der neuen Enklave: Der Graf hat jede Menge zusätzliche Rekruten angeworben und für die kommende Offenbarung vorbereitet.
    Wie auch immer die aussehen wird.
    Sie glauben, dass es früher oder später einer von ihnen schaffen wird, sich perfekt zu adaptieren, sich vollständig vom Vyrus verzehren zu lassen. Sie warten darauf, dass alle ihre irdischen Zellen absorbiert und durch Vyruszellen ersetzt werden. Sie glauben, dass das Vyrus von irgendwo anders herkommt. Nicht aus diesem Universum. Aus einer anderen Dimension oder so.
    Spinnerei.
    Sie glauben, dass derjenige, der es durch perfekte Disziplin schafft zu verhungern, ohne dabei zu sterben, den anderen zeigen wird, wie er dies vollbracht hat. Dann werden sie alle zu Kreaturen aus einer anderen Dimension, denen nichts, noch nicht mal die Sonne, etwas anhaben kann.
    Und dann werden sie ihren Kreuzzug starten.
    Und ihr sterbt, ich sterbe, alle sterben.
    Bis auf die Enklave.
    Wie mein Mädchen hier gelandet ist? Na ja, ich hab sie hierhergebracht. Ich wollte verhindern, dass sie an AIDS zugrunde geht. Das hat geklappt, dafür sind aber ganz andere Probleme aufgetaucht. Ziemlich komplizierte Probleme. Unter anderem hat sich herausgestellt, dass ich ein verlogener Haufen Scheiße bin, der ihr seit der Nacht, in der wir uns

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