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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Brust.
    – Dann erzähl mal, weshalb ich so eine Witzfigur bin. Weißt du, dieser Scheiß hier ist nämlich mein Leben.
    Ich ziehe noch einmal an der Zigarette.
    – Du bist ein verwöhnter Nichtsnutz, der infiziert wurde und sich seitdem als Graf bezeichnet. Ein Arschloch, wie es im Buche steht.
    Er grinst.
    – Hab ich dir eigentlich jemals den Nachnamen verraten, den ich für mich ausgesucht hab?
    Ich wedle mit der Kippe.
    – Vlad?
    Er schüttelt den Kopf.
    – Zahl.
    Ich betrachte den Rest der Zigarette.
    – Okay, zugegeben. Ich kann einen gewissen Sinn für Humor erkennen.
    – Graf Zahl, Mann. Kapiert? Hast du mal die Sesamstraße gesehen?
    Ich hebe die Hand.
    – Kapiert. Nicht schlecht.
    – Weil ich nämlich über mich selbst lachen kann. Das ist das Geheimnis.
    – Klar.
    Er tippt sich mit der Klinge gegen die eigene Brust.
    – Ich bin nicht der Typ, der sich allzu ernst nimmt.
    Ich nicke.
    – Dann findest du das bestimmt auch lustig.
    Ich ramme ihm die Glut meiner letzten Zigarette ins Auge.
    Ein hässliches Zischen ertönt und eine Mischung aus Blut und irgendetwas anderem rinnt über seinen Wangenknochen. Doch er sitzt einfach nur da und starrt mich aus dem Auge an, das ich nicht als Aschenbecher benutzt habe.
    Dann reißt er den Mund weit auf und wirft den Kopf in den Nacken.
    – Ha! Ha! Ha!
    Dann hebt er den Kopf wieder, zieht die Kippe aus seinem Auge, betrachtet sie und schnippt sie fort.
    – Weißt du.
    Er wischt mit dem Handrücken über den Glibber aus seiner Augenhöhle.
    – Um die Wahrheit zu sagen.
    Dann wischt er die Hand an meiner Jacke ab.
    – Um die Wahrheit zu sagen, benutze ich meine Augen so gut wie gar nicht mehr.
    Er schließt das gesunde Auge. Das andere ist inzwischen mit einem Haufen kleiner Brandblasen überzogen.
    – Momentan ist alles erleuchtet. Meine Sinneswahrnehmung? Mann, ich spüre mikroskopische Veränderungen des Luftdrucks auf meiner Haut. Ich höre alles, rieche wie ein Jagdhund. Und erst die Geschmacksnerven. Mann, ich wünschte, ich hätte ein paar gute Flaschen Wein hier.
    Er fährt mit der Fingerspitze über den Betonboden.
    – Dann der Tastsinn. Ich kann dir sagen, wenn ich nur ein bisschen sexuelle Energie übrig hätte, würde das jede abgefuckte Rave-Extasy-Orgie in den Schatten stellen, die ich im College gefeiert hab. Aber zum Thema Sinneswahrnehmung hätte ich mal eine Frage.
    Er sticht mit der Klinge in meinen Bizeps und schiebt sie hindurch, bis sie den Fußboden berührt.
    – Spürst du das?
    Ich betrachte die Klinge. Aus der Wunde quillt kein Blut. Es ist so, als würde ein gewaltiges Skalpell in einer Leiche stecken.
    Er zieht die Klinge wieder heraus.
    – Nein.
    Er steht auf.
    – Du bist eeeecht fertig, Sportsfreund. Aber das wäre ja nichts Neues.
    Er deutet mit der Klinge auf mich.
    – Du bist fett geworden. Alt. Müde. Fertig. Du bist am Ende. Und damit meine ich nicht nur, dass man dich in deine Einzelteile zerlegt hat. Ich rede davon, dass deine Geschichte langweilig wird. Der einsame Wolf. Yojimbo. Wird Zeit, dass du die Stadt verlässt und die großen Jungs ihre Arbeit machen lässt. Hier ist nur Platz für eine numero uno . Und das sind wir.
    Er fuchtelt mit der Klinge herum.
    – Zeit, die Alten niederzumähen und was Neues anzufangen. Weißt du, wer die Neuen sind? Was sie sind?
    Er fährt mit den Fingern über seine knochigen Rippen.
    – Die Neuen sind schlank und geschmeidig. Sie sind hungrig. Sie sind wild. Sie sind eine Gefahr für die Alten. Das Neue ist immer gefährlich für das Alte. Weißt du, Joe, du lebst völlig hinterm Mond. Du hast mich gesehen und gedacht: verwöhnter Bengel . Stattdessen hättest du das in mir sehen sollen, was die Dinosaurier kurz vor ihrem Ende sahen. Die haben nämlich in den Himmel geguckt und da kam dieser gewaltige Meteorit direkt auf sie zugerast. Weißt du, was sie gedacht haben, als sie diesen riesigen Felsklumpen gesehen haben?
    Er deutet nach oben.
    – Sie dachten: Das wird wehtun.
    Er hebt die Sensenklinge über den Kopf.
    – Und was denkst du jetzt, Joe?
    Er lässt die Klinge niedersausen und bohrt sie in meinen Bauch.
    Sie dringt glatt durch und heftet mich an den Betonboden. Ich spüre nichts, nur die Kälte des Stahls, weil der Stahl das Einzige ist, das noch kälter als das Fleisch meines toten Körpers ist.
    Und ich denke: Mann, bin ich froh, dass ich gestorben bin, bevor er das getan hat.
     
    Ich bin ungefähr zu dem Zeitpunkt gestorben, an dem er davon geredet hat, wie alt

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