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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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ich bin. Beziehungsweise war. Keine Ahnung, welches Tempus jetzt das richtige ist. Wenn man zudem noch bedenkt, dass ich zum zweiten Mal gestorben bin, kann man schnell den Überblick verlieren.
    Also denke ich gar nicht lange drüber nach.
    Weder darüber, noch kreisen meine Gedanken um irgendwas anderes. Vielmehr bilden sie eine einzige gerade Linie. Er redet, und seine Worte und das, was ich sehe – die Vergangenheit, die ungewisse Zukunft und der Beton unter meinem Rücken – verdichten sich zu einem schwarzen Leichentuch, das bis zum Horizont reicht. Dann legt es sich über meinen Körper und zieht mich in sich hinein.
    Und ich denke nur noch eines:
    Verdammt, jetzt hab ich Evie gar nicht mehr gesehen.
     
    Dann werde ich plötzlich nach oben gezogen und falle auf der anderen Seite des schwarzen Leichentuchs wieder heraus.
    Alles dehnt sich aus, bis es mich überall berührt, und ich spüre die Enklave, die mich aus dem Schatten heraus beobachtet. Allein durch die Luftbewegungen ihres Atems weiß ich, wie viele es sind. Die Geräusche verstärken sich, bis ich ihre Vibrationen in der Luft auf meinem Trommelfell spüren kann und genau weiß, welche Frequenz jeder Laut besitzt. Die Harmonie und Dissonanz, mit der der Graf seine Reden schwingt, die erwachende Stadt, das schmelzende Wachs einer Kerze am anderen Ende des Lagerhauses. Gerüche lassen sich deutlich zuordnen, jeder hat eine Farbe, eine Struktur, die sich mit einem Bild in meinem Gehirn verbinden. Ich schmecke das verwesende Fleisch, das über mir baumelt, die Rostflocken auf der Spitze der Klinge, den Schmutz, der sich im Laufe der Nacht auf meinen Klamotten angesammelt hat. Ich sehe ins Dunkel, bemerke, dass die Enklave ihre frühere Zielgerichtetheit und Kontrolle verloren hat, sie zittert und knirscht mit den Zähnen. Ich weiß jetzt, dass die, die von den Balken hängen, in der Überzahl sind. Die Balken, der Kochtopf, das ist nicht das Schicksal, das mir zugedacht ist. Da gibt es schönere Arten zu sterben.
    Mit meinem offenen Auge betrachte ich die Klinge in meinem Körper, dann hebe ich den Blick. Ich sehe den Grafen, hinter ihm die Treppe, die zum Obergeschoss führt, und auf einer Stufe in der Mitte sitzt das schöne elfenbeinfarbene Mädchen im Kreis ihrer Jünger.
    Ich sage ihr das Erste, was mir durch den Kopf geht.
    – Hey, du siehst gut aus.
    Sie lächelt.
    – Töte ihn für mich, Joe.
    Der Graf starrt sie an.
    – Zurück in dein Zimmer, Schlampe.
    Ich richte mich auf, die Klinge bohrt sich tiefer in meinen Körper. Als ich auf den Beinen bin, ist sie bis zum Heft in mir verschwunden und die Fingerknöchel des Grafen drücken auf die Ränder der Wunde.
    Dann geschieht alles ganz schnell, in der Zeit zwischen zwei Herzschlägen. Erst liege ich noch auf dem Boden, dann stehe ich plötzlich, und wie er mich noch ansieht, hab ich ihm schon auf die Handgelenke geschlagen und jetzt bin ich über einen Meter von ihm entfernt, die Klinge steckt noch in mir, doch diesmal liegt meine Hand auf dem Griff, und sie zieht die Waffe heraus.
    Sobald der Stahl meinen Körper verlässt, schließt sich die Wunde.
    Ich zeige dem Grafen die Klinge.
    – Was verloren?
    Er richtet die Pistole auf mich.
    – Was verloren?
    Ich stürze auf ihn zu.
    Er schießt.
    Meine Gedanken versuchen verzweifelt, mit den Ereignissen Schritt zu halten. Ich denke an Predos Tod und mein Bewusstsein versucht, meinen Körper Haken schlagen zu lassen. Aber ich bin nicht schneller als die Kugeln. Der Graf hat zweimal auf mich gefeuert, und zwei Kugeln sollten reichen, um mich so lange außer Gefecht zu setzen, bis er mich endgültig erledigt hat. Dummerweise schießt er wie ein Gangster aus der Hüfte, und vielleicht ist er ja der große Meister mit der Sensenklinge, aber eine Pistole hat er wohl noch nie in seinem Leben abgefeuert. Er verfehlt mich um Längen und wirft die Waffe weg.
    – Scheiß auf den Scheiß.
    Ich will ihm mit der eigenen Klinge den Kopf abschlagen, doch er duckt sich unter meinem auf seinen Hals gerichteten Hieb und zeigt mir, was er in der Zwischenzeit Neues gelernt hat. Er geht in die Hocke, wirbelt mit ausgestrecktem Bein herum, um mir die Füße wegzuschlagen, aber meine Beine sind gar nicht mehr da, und da begreife ich, dass ich gesprungen bin. Er richtet sich wieder auf und schlägt mir mit beiden Fäusten gegen die Brust, bevor meine Füße wieder den Boden berühren können. Die Fäuste treffen mich wie zwei kleine Lastwägen, obwohl ich versuche,

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