Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
Vom Netzwerk:
Wenn ich Amanda so in ihrer dreckigen Jeans und ihrem schmutzstarrenden Laborkittel dabei beobachte, wie sie die Bildschirme anstarrt, kann ich ihn fast hinter ihren Augen erkennen.
    Irgendwas frisst sie auf. Sela mal ausgenommen.
    – Joe, ich kann dich gar nicht ansehen.
    – Was soll das denn heißen?
    Sie klickt sich durch eine Reihe weiterer Zellpräparate.
    – Du weißt schon, was das heißen soll, Joe. Wir haben voll viel miteinander durchgemacht. Ich meine, ohne dich wäre ich gar nicht hier. Jetzt nicht im Sinne von am Leben, also das schon auch, weil ja, ja, ohne dich wäre ich vor Jahren gestorben, aber ich meine, ohne dich wäre ich gar nicht hier, oder?

Sie wedelt mit der Hand durch den Raum, ohne den Blick von den Bildschirmen zu nehmen.
    Ich trinke einen weiteren – ich bitte das Wortspiel zu entschuldigen – Fingerbreit Scotch.
    – Dafür kann ich nichts, Kleine. In die Scheiße bist du ganz allein gerutscht.
    Sie schüttelt den Kopf.
    – Verstehst du, deshalb kann ich dir nicht ins Auge sehen. Selbst nach allem, was passiert ist, weiß ich eigentlich immer noch nichts über dich. Oder über das Ding, das in dir ist. Bäh. Das ist voll scheiße.
    Inzwischen starre ich ebenfalls auf die Fotos der Präparate. Ein paar davon sind Blutkörperchen. Die hab ich schon mal gesehen. Weiße und rote, geformt wie kleine Tropfen und Donuts. Die anderen Bilder sagen mir gar nichts. Möglicherweise Explosionen im Weltraum, moderne Kunst, stachelige Tiefseewesen oder Schimmelpilze. Sie könnten so ziemlich alles darstellen.
    Aber wie ich Amanda kenne, handelt es sich ganz bestimmt um Viren. Viren sind ihr Steckenpferd.
    Viren und das Vyrus.
    Ich starre in mein Glas.
    – Was gibt’s da schon groß zu wissen?
    Sie kichert.
    – Joe.
    Sie kichert weiter.
    – Oh, Joe.
    Dann kriegt sie sich wieder ein.
    – Wenn du wüsstest.
    Ich trinke noch einen Schluck.
    Sie wirbelt in ihrem Stuhl herum und sieht mich an.
    – Du spionierst für Predo.
    – Ja.
    – Wieder mal.
    – Ja.
    – Also echt .
    – Ja.
    Sie streckt die Finger ihrer linken Hand aus.
    – Das hättest du gar nicht tun müssen.
    Ich stelle das Glas ab und greife nach dem Tabak.
    – Was denn?
    Sie zieht den kleinen Finger, den Daumen und den Ringfinger ein.
    – Na, das. Stillhalten und zusehen, wie Predo dir das antut.
    Phil sitzt schweigend da, zittert, trinkt seinen Scotch und beobachtet Sela. Ich werfe ihm den Tabaksbeutel zu.
    – Mach dich mal nützlich, Phil.
    Er hebt den Tabak auf und dreht eine Zigarette.
    Ich wende mich wieder Amanda zu.
    – Verzeihung. Ich hab gerade nicht mitbekommen, was du da Verrücktes von dir gegeben hast.
    Sie streckt die Finger wieder aus.
    – Ich wollte nur andeuten, dass das ein bisschen viel Aufwand war, nur um mich zu sehen. Lässt dir die Finger abschneiden, nur damit er auch wirklich glaubt, dass du verzweifelt bist. Wie schräg ist das denn? Und dann tust du so, als würdest du sein Angebot annehmen, hier für ihn herumzuschnüffeln.
    – Amanda.
    Ich schnippe mit der Hand, an der ich noch einen Daumen habe, und Phil reicht mir die Zigarette.
    – Jedes Mal, wenn wir uns sehen, hast du eine neue Verrücktheit auf Lager.
    Sie wendet sich wieder den Bildschirmen zu.
    – Joe Pitt lässt sich von Predo gefangen nehmen . Lässt sich foltern. Und das nur, um Predo davon zu überzeugen, ihn hierher zu schicken. Um nachzusehen, ob’s mir gutgeht.
    Sie kichert.
    – Dabei bin ich nicht mal dein Typ.
    Ich zünde mir die Zigarette an.
    – Du liegst völlig falsch. Und weißt du, was das Lustige dabei ist?
    – Keine Ahnung, Joe. Aber bitte, sag’s mir.
    Ich puste Rauch aus.
    – Das Lustige ist, die abgeschnittenen Finger sollten eigentlich dich davon überzeugen, dass Predo mich tatsächlich töten wollte und ich mich nur mit knapper Not hierher retten konnte.
    Sie wirft den Kopf in den Nacken.
    – Na ja, klar, aber ich meine die unterschwellige Bedeutung.
    Phil geht zur Flasche hinüber und schenkt sich nach.
    – Also ihr beiden, und das sage ich jetzt einfach nur als unbeteiligter Zuhörer, ihr beiden braucht wirklich dringend professionelle Hilfe.
    Sie betrachtet das nächste Bild.
    – Ja, weißt du, das mit Joe und mir ist schon eine merkwürdige Geschichte.
     
    Die Flasche ist fast leer. Hat nicht lange gedauert.
    Sela atmet inzwischen nicht mehr ganz so friedlich. Ich bin durch den Raum geschlendert und hab mich unauffällig umgeschaut – nur das Wohnzimmer konnte ich bisher nicht richtig einsehen.

Weitere Kostenlose Bücher