Ausgesaugt
Schulter.
– Siehst du, so schlimm ist es doch gar nicht.
Von unten ist wieder das Heulen zu hören.
Ich nehme einen Zug.
– Außerdem kannst du spitzenmäßig Zigaretten drehen.
Er grinst noch breiter. Man sieht die Lücken, wo früher mal Silberkronen die Zähne ersetzten, die ich ihm ausgeschlagen habe. Die Kronen hat er wohl verpfändet.
– Danke, Joe. Das bedeutet mir sehr viel. Besonders aus deinem Mund.
Er blickt zu Boden.
– Sag mal, Joe?
– Phil.
Er sieht wieder auf.
– Was ist denn mit deinen Fingern passiert?
Ich runzle die Stirn, betrachte meine linke Hand und schüttle den Kopf.
– Verflucht. Wo hab ich die bloß liegenlassen?
Wir müssen lachen.
Phil Sax. Eigentlich kein schlechter Kerl. Mal abgesehen davon, dass er ein verräterisches Stück Scheiße ist.
Aus diesem Grund richte ich auch die Schrotflinte auf seinen Hinterkopf, während er die Tür am Ende der Treppe aufschließt. Deswegen zische ich ihm zu, gefälligst das Maul zu halten, als jemand auf der anderen Seite fragt, was los ist. Und deshalb trete ich ihn auch vor mir her durch die geöffnete Tür und warte ab, ob ihn jemand über den Haufen schießt, bevor ich ihm in geduckter Haltung und mit der Waffe im Anschlag folge.
Warum trotzdem alles schiefgeht, hat folgenden Grund: Sela springt von meiner linken, also der blinden Seite, auf mich zu. Ich drehe mich um, um ihr ein Loch in den Bauch zu schießen, bevor sie auf mir landet. Doch da wird mir schmerzlich bewusst, dass die Dinge anscheinend noch nicht so schlecht stehen, als dass man Phil eine geladene Waffe anvertrauen würde.
Das habe ich jetzt natürlich nicht überprüft. Schande über mich.
Jetzt hat Sela die Oberhand. Sie sitzt auf mir, packt mich bei den Haaren, hebt meinen Kopf, donnert ihn gegen den Boden und ballt die Hand zu einer Faust, die wohl im nächsten Moment mein Gesicht zu Brei schlagen wird. Meine gesunde Hand ist unter ihrem linken Knie eingeklemmt, mit der anderen versuche ich, ihre Augen zu erwischen. Genug Finger hätte ich ja noch dafür. Ich frage mich, ob ich ihren zweiten Schlag überhaupt noch mitkriegen werde oder ob mich der erste schon ins Jenseits befördert. Scheiße, ich kann es nur hoffen.
– Sela!
Die Faust streift leicht meinen Schädel, was sich trotzdem wie ein Vorschlaghammer anfühlt, und lässt dann krachend die Holzdiele neben meinem Kopf zersplittern.
– Baby. Komm her, Baby.
Sela bläht erst die Nasenlöcher auf, dann öffnet sie den Mund und nähert ihn meinem Gesicht. Ich habe Angst, dass sie gleich zubeißt, doch dann ist sie plötzlich weg, springt leicht wie ein Floh von mir runter, und ich spüre noch die Hitze ihrer Haut, wo mich ihre Oberschenkel, ihr Hintern und ihre Beine berührt haben.
Und ich rieche Blut.
Ich stemme mich auf einem Ellbogen hoch. Die beiden beschissenen Rippen sind schon wieder gebrochen. Und das war nur ein kurzer Vorgeschmack auf das, was passieren wird, wenn die Situation komplett außer Kontrolle gerät.
Der Raum nimmt den Großteil des obersten Stockwerks ein. Er wurde mehr oder weniger vollständig in ein Labor umfunktioniert, mit Stahltischen, Kühlschränken, Computern, irgendwelchen Geräten zur Analyse von irgendwas, Reagenzgläsern und einem Hochdrucksterilisator. Himmel, hier gibt es sogar Bunsenbrenner. Jetzt fehlt nur noch ein Blitze versprühender Teslatransformator, und das Laboratorium des verrückten Professors wäre komplett. Der hintere Teil des Raums dient jedoch einem völlig anderen Zweck. Hier liegen alle möglichen Schusswaffen, dazu proteinhaltige, energiereiche Trockennahrung, Whiskey- und Wodkakisten, Wasserkanister, Batterien und ein paar kleine, gasbetriebene Generatoren. Daneben eine Reihe von Überwachungsmonitoren, die jedoch zum größten Teil ausgefallen sind. Ab und zu erwacht einer zum Leben und zeigt für einen kurzen Augenblick den Eingang, das Treppenhaus, einen leeren Schlafsaal oder in grünstichigem Nachtsichtmodus mehrere Gittertüren eines Kellerraums. Vor den Monitoren ist ein dickes Brett mit mehreren Messerschaltern angebracht, von denen Kabel in ein Loch im Fußboden führen. Das Büro besteht aus einem großen Schreibtisch, der von Papieren und offensichtlich unberührten Mahlzeiten bedeckt ist. Daneben stehen drei Computerbildschirme und ein Modell aus Stäben, Kugeln und geodätischen Würfeln. Am anderen Ende des Raums befinden sich zwei offene Türen – durch eine kann ich ein Badezimmer erkennen, hinter der anderen eine
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