Ausgesaugt
will, dass ich sterbe, muss sie mir das schon persönlich sagen. Und wenn ich ihr dabei gegenüberstehe, werde ich sogar tun, was sie verlangt.
Ich wage nicht, den Kopf zu heben, um die Stufen zu zählen. Dann könnte ich womöglich das Gleichgewicht verlieren und wieder bis ganz nach unten stürzen. Wo Terrys und Hurleys Waffen inzwischen verstummt sind. Entweder sind ihnen die Munition oder die Ziele ausgegangen. Doch das ist nicht mein Problem. Mein Problem ist die Treppe.
Hoch.
Hoch mit dir, du Arsch.
Und stirb mir ja nicht.
Wenn du stirbst, wird er kommen und dich mitnehmen. Dann wird sich die schwarze Kälte über dich senken und dich in ihr Herz saugen und du wirst auf alle Ewigkeit zu Eis erstarren. Dann wird der Geist in dir erwachen und zu dir werden.
Daran glaube ich zwar nicht, habe aber trotzdem Angst davor.
Ich will kein Monster sein. Kein echtes zumindest. Ich will schon wissen, was ich in dieser Welt so tue. Ich will wissen, wen ich verletze. Ich will mich an die Gesichter meiner Opfer erinnern. Daran, was ich getan habe und welchen Preis ich dafür bezahlen musste. Ich weiß, dass ich niemals kriegen werde, was ich will. Ich weiß, dass ich nie dort ankommen werde, wo ich hinwill. Ich weiß, dass ich nie diejenige in den Armen halten kann, die ich gerne in den Armen halten würde. Aber wenn alle Zweifel ausgeräumt sind und ich kein As mehr aus dem Ärmel hervorzaubern kann, das mir doch noch eine Weile länger die Hoffnung gibt, irgendwann bei ihr zu sein, dann will ich mich wenigstens an alles erinnern, was ich für sie getan habe. Ich will die Gewissheit, dass sie über alles Bescheid weiß. Und wenn sie dann am Ende Nein sagt, dann ist das der Preis, den ich bezahlen muss.
Aber ich will mich daran erinnern, dass es meine eigene Schuld ist.
Damit könnte ich leben.
Jemand nimmt meine Hand.
Ich sehe auf.
Amanda steht am Ende der Treppe und hält meine verletzte Hand in der ihren. Sie funkelt mich böse an.
– Du hast mir nie erzählt, dass du meine Mom getötet hast.
Ich öffne den Mund und die Worte dringen nur krächzend aus meiner zerquetschten Kehle.
– Ist ’ne lange Geschichte.
Sie zieht mich mit sich den Flur entlang.
– Joe, Zeit ist alles, was wir haben.
Ich höre Schritte, die die Treppe heraufkommen. Eine Person? Zwei? Ja. Zwei, vielleicht mehr. Gut möglich, dass es außer Hurley und Terry noch jemand aus dem Keller geschafft hat.
Wir stehen vor der Tür zu Amandas Penthouse. Ich kehre wieder in meinen Körper zurück. Der Tunnel vor meinem Auge wird langsam breiter.
– Sela.
Amanda sieht sich nicht um.
– Was soll mit ihr sein?
– Wir brauchen sie. Hurley. Terry. Noch mehr.
Sie schüttelt den Kopf, während sie mich in die Wohnung führt.
– Ach, die. Mach dir um die keine Sorgen. Und Sela...
Sobald wir im Penthouse sind, zieht sie mich an der Hand zu sich und deutet auf ein Bettlaken, das über einen Körper auf dem Boden gebreitet ist. Das Laken ist von Blut getränkt.
– Sela kann uns nicht mehr helfen.
Sie drückt meine Hand.
– Du hast echt ein Talent, Joe.
Sie schließt die Tür und legt die Riegel vor.
– Ein Talent dafür, mir die wichtigsten Menschen in meinem Leben zu nehmen.
– Ihr seid zurückgekehrt, wie Ihr es gelobt habt.
– Rein technisch gesehen, klar, technisch gesehen hast du sie nicht umgebracht.
– Benjamin und ich und unser Kind sind willens, die Abreise anzutreten.
– Wenn wir Haare spalten wollen. Aber da sie ja jetzt tot ist und alles, haben wir ja Zeit Haare zu spalten, so viel wir wollen.
– Tu dir keinen Zwang an.
– Also, genau genommen...
– Ist die Stunde des Aufbruchs gekommen?
– Deli-lah.
Amanda drückt ihre Hand gegen die Stirn.
– Könntest du mich mal kurz mit Joe reden lassen, ohne dauernd dazwischenzuplappern? Bitte?
Delilah steht mit Ben neben der verschlossenen Tür, hat die Hände auf den Bauch gelegt und hebt einen Finger.
– Die Zeit unserer Gefangenschaft in Eurem Haus neigt sich dem Ende.
– Delilah. Schätzchen.
Amanda zieht eine riesige Pistole. Die hat also die Tasche des Labormantels so ausgebeult.
– Ich bin im Moment nicht so gut auf dich zu sprechen. Also, okay, wenn du nicht sofort für ein paar Minuten die Klappe hältst, werd ich Ben erschießen. Klaro?
Ben hebt die Hände auf Schulterhöhe.
– Hey, wow.
Delilah winkt mit dem Finger.
– Bloße Kugeln werden ihm kein Leids tun.
Ohne den Blick von der Leiche ihrer Freundin zu nehmen, hebt Amanda die
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