Ausgesaugt
nicht.
Es lässt meinen Hals los und steigt von mir herunter. Meine Luftröhre entspannt sich etwas, bloß ein Kratzen in der Kehle bleibt zurück. Die Dunkelheit wird wieder schwächer.
Der hungernde Infizierte zerrt an den Leichen von Predos Männern, springt auf einem Körper herum. Sieht mich an. Ich bewege mich nicht.
Ich rieche etwas. Ich rieche ihn . Sein Geruch klebt an mir. Nein, stimmt nicht. Es ist mein eigener Geruch. Der Geruch meines Todes. Noch ist er schwach, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Der Gestank, der aus seinem Schlund dringt, ist jetzt mein eigener. Ich verwese von innen heraus.
Um der Sache etwas Nachdruck zu verleihen, schüttet das Vyrus kochendes Blei auf meine Knochen und lässt mich erzittern. Der Irre springt noch heftiger auf und ab, deutet auf mich und öffnet den Mund. Ich könnte schwören, dass er lacht; sich freut, dass ein anderer Schmerz erleidet.
Die Schreie und Schüsse hinter der Tür werden lauter. Sie wird erneut aufgestoßen und plötzlich stehe ich nicht länger im Zentrum seiner Aufmerksamkeit.
– Joe, du Sau!
Ich stehe auf.
– Hurley, pass auf.
Er ist gerade halb durch die Tür, drückt dagegen, um seinen massigen Körper hindurchzuschieben, als ihn der Irre anfällt. Hurley ist ganz und gar nicht am Verhungern, sein Geruch ist völlig anders als meiner, und daher hält ihn der Irre für ein Hindernis, das getötet werden muss. Ich krieche die Stufen hoch, kann aber den Blick nicht von ihnen abwenden. Hurleys Arm dringt durch die wirbelnden Gliedmaßen des Irren, der ihn zerfleischen will – wie jemand, der langsam in ein Fass voll zappelnder Aale greift. Dann hat ihn Hurley am Hals gepackt, drückt zu und schlägt seinen Kopf gegen die Tür. Der Schädel wird eingedrückt, zersplittert und der Inhalt rinnt die Tür hinunter. Die Arme und Beine schlagen noch immer wie wild um sich. Hurley schüttelt den Körper so lange, bis der Kopf abreißt, dann schleudert er den Rumpf von sich. Dieser steht wieder auf, rennt gegen eine Wand, fällt um und strampelt mit den Beinen in der Luft.
Hurley starrt durch das geronnene Blut auf seinem Gesicht und in seinen Augen zu mir hoch. Ich habe fast die Tür am Ende der Treppe erreicht.
– Auf ein Wort, Joe. Wenn’s dir grade passt.
Er wendet sich dem Massaker im Keller zu.
– Terry! Komm schnell her, alter Junge!
Die Kälte steckt in meinen Knochen. Ich renne durch die Tür am Ende der Stufen in Richtung Treppenhaus. Überall liegen die Leichen von Predos Männern. Ich nehme mir eine Sekunde Zeit, um eine Waffe aufzuheben. Sie fühlt sich ziemlich nutzlos an, aber ich behalte sie trotzdem.
Ich spähe das Treppenhaus hinauf.
Die Hungernden sitzen auf den Stufen.
Sie sind völlig am Ende.
Sobald ich in Sichtweite gerate, drehen sie sich nach mir um.
Am Ende des Flurs ist die Vordertür. Ein kleiner Schritt, und ich wäre raus aus diesem Wahnsinn. Ob Predos Leute draußen warten? Möglich. Ob sie den Befehl haben, sich alle zu schnappen, die das Gebäude verlassen? Kann schon sein. Aber was soll’s? Ein paar gut gezielte Schüsse, und sie sind erledigt. Bleibe ich dagegen in diesem Irrenhaus, muss ich mich an Hurley halten, um zu überleben. Dummerweise will er mich umbringen.
– Hör mal, Joe. Ich will nur mit dir plaudern. Und Terry auch, könnt’ ich mir vorstellen!
Ich werfe die Kellertür zu und sehe mich nach irgendetwas um, mit dem ich sie verrammeln kann. Leider ist gerade kein Lastwagen zur Hand, den ich davor parken könnte.
Der Irre, der mir am nächsten ist, zieht sich am Geländer hoch und taumelt eine halbe Treppe auf mich zu.
Ich mache einen Schritt in Richtung Vordertür.
Hurley wird jeden Moment hier sein. Ich sollte besser abhauen. Wer will mich denn dran hindern, das Haus zu verlassen? Und hier drin sind sowieso alle tot.
Bis auf Amanda. Und Chubbys Tochter. Und ihr Baby.
Möglicherweise.
Ich schließe für eine Sekunde das Auge und stelle mir Evie vor. Wie ich ihr sage, dass ich zu spät gekommen bin. Dass die Kids und das Baby bereits tot waren. Ich hab’s versucht, aber ich war zu spät. Ich hab’s wirklich versucht.
Ich öffne das Auge.
Mein Mädchen. Ich hab sie zu oft angelogen. Sie weiß genau, wann ich ihr Scheiße erzähle.
Also gehe ich langsam die Treppe hoch.
Damals bin ich gestorben. Verhungert. Ging einen Schritt weiter als diese armen Schweine hier. Den Weg der Enklave. Mit ein paar Unterschieden: Die Enklave hungert freiwillig, als Prüfung des Willens. Ein
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