Ausgesaugt
ganzes Lagerhaus voll ähnlich durchgeknallter Typen. Während sie das durchmachen, halten sie sich gegenseitig an den Händen. Ich hab’s ganz alleine durchgezogen. Ich war verletzt, am Verhungern, völlig fertig, dann bin ich umgekippt. Mein Herz setzte aus, die Luft gefror in meinen Lungen, schließlich kam der große Blackout. Das Vyrus hat mich zurückgeholt. Wie ein eingebauter Defibrillator und ein Schuss Adrenalin zwischen die Augen. Die Typen auf der Treppe sind an genau diesem Punkt angelangt. Amanda hat sie mit Blut versorgt, so gut sie konnte. Bis sie kapiert hat, dass einfach nicht genug da war, um alle am Leben zu erhalten. Und irgendwann hat sie in ihrem Wahn wohl beschlossen, dass sie so sogar noch wertvoller für sie waren. Irgendwann kam sie zu der Einsicht, dass unaussprechliches Leid nicht unbedingt im Widerspruch zu ihrer Arbeit steht.
Sie sind so hungrig wie die Enklave, aber ohne die nötige Übung. Sie sind nicht ganz so weit wie ich, als es mich erwischte, aber sie leiden trotzdem. Sie wissen, dass sie mich nicht anzapfen können. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie sich nicht besser fühlen würden, wenn sie mich töten. Zumindest wäre es mal eine Ablenkung von dem ständigen Gefühl, vom eigenen Körper aufgefressen zu werden.
Als ich die erste Treppe zur Hälfte hinaufgestiegen bin, wird der Irre am Geländer langsam sauer. Er streckt die Zunge raus, als würde er schmecken wollen, ob irgendwo nichtinfiziertes Blut zu finden sei.
Ich bin mit einer dicken Schicht Abwasser, Vampyrblut und Monsterschleim überzogen. Die Kombination mit dem Gestank des toten Vyrus, der aus meinen Poren dringt, bringt seine Zähne zum Klappern. Ein hoher Ton dringt aus seiner Kehle, wie der Schrei einer streunenden Katze. Er rutscht am Geländer hin und her und weiß nicht, was verdammt nochmal er jetzt machen soll. Sieht aus, als würde er sich gleich auf mich stürzen – nur um diese verwirrende Situation irgendwie aufzulösen.
Die anderen über ihm fangen an, vor und zurück zu wippen. Einer steht auf, taumelt zitternd dieselben drei Stufen wie sein Vorgänger hinunter. Ein anderer weiter oben späht über das Geländer im zweiten Stock und schlägt sich dabei immer wieder ins Gesicht. Ein gleichmäßiges scharfes Klatschen. Wie ein Metronom, das einen Kontrast zu den unregelmäßigen Gewehrsalven aus dem Keller bildet, die langsam leiser werden.
Der Irre, der mir folgt, starrt mir ins Gesicht, krächzt, schüttelt den Kopf so schnell, dass er vor meinem Auge verschwimmt, bleibt dann plötzlich stehen und krümmt sich zusammen. Dann schließt er die Augen, und es sieht so aus, als wäre er am Geländer lehnend eingeschlafen.
Hinter der geschlossenen Kellertür ertönen wieder Schüsse. Der Wahnsinnige öffnet die Augen und schaut die Treppe hinunter. Die Tür schwingt auf und Hurley kommt in den Raum gestolpert. Er stützt Terry mit einem Arm. Der Irre lässt das Geländer los und fällt direkt auf die beiden. Die anderen geraten plötzlich in Bewegung. Sie schwärmen die Treppe runter, angelockt von einem lauten, schnellen, brutalen und ziemlich warmen Etwas. Etwas, das viel wärmer ist als ich. Etwas, das immerhin annähernd an Beute erinnert. Etwas, das zumindest ihren Jagdinstinkt befriedigen könnte.
Hurleys Flüche hallen mir hinterher, als ich die Treppe hinaufrenne. Der genaue Wortlaut wird leider von den Schüssen aus seiner .45er übertönt. Dazwischen ist in unregelmäßigen Abständen das Klatschen zu hören, mit denen Dumdumgeschosse in Fleisch explodieren, untermalt von Terrys knatternder AK-47.
Ich habe keine Zeit, um rauszufinden, wer den Kampf gewinnt. Ich muss mich auf die Stufen vor mir konzentrieren, die ich aufgrund meines einäugigen Tunnelblicks kaum erkennen kann. Irgendwie fühle ich mich losgelöst von meinem Körper, als würde ich ihn per Fernbedienung steuern. Den pochenden Schmerz spüre ich allerdings bis in die letzte Faser und ganz besonders unmittelbar hinter der Stirn.
Ich versuche, die Treppe hinaufzugelangen, ohne hinzufallen.
Und ich probiere, mich an die Schmerzen zu erinnern, die ich damals gespürt habe. Waren sie genauso? Wie viel Zeit lag zwischen diesen Schmerzen und meinem Tod? Werde ich bald sterben? Und wenn ja, bleibe ich diesmal tot?
Bitte, fleht ein Teil von mir, den ich sofort zum Schweigen bringe, bitte, darf ich diesmal tot bleiben?
Nein, antworte ich. Evie würde das gar nicht gefallen. Oder vielleicht doch. Keine Ahnung. Wenn sie
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