Ausgesaugt
leichter gemacht, am Ende alles hinter sich zu bringen. Aber ich bin mir nicht sicher, was meine eigene Grenze angeht. Ob sie überhaupt existiert und wann sie erreicht ist. Ich hab noch was zu erledigen. Das Risiko, das, was ich für ihre Mom getan habe, auch für sie zu tun, wollte ich nicht eingehen. Vielleicht wäre das selbst für mich zu viel gewesen.
Trotzdem schließe ich das Auge nicht. Sie sieht mich an. Und vielleicht tauschen wir noch ein kleines Lächeln aus.
Als sie den Abzug drückt – was ich nicht fertiggebracht habe –, blinzle ich nicht ein einziges Mal.
Das schulde ich ihr.
Beim Anblick ihrer Leiche frage ich mich, ob ich ihr nicht noch mehr schulde.
Einen Scheiterhaufen aus Leichen.
Und Feuer, um ihn anzuzünden.
Ja, das würde ihr gefallen.
Und zufällig hab ich schon eine Idee, wie man so einen Scheiterhaufen baut.
Da ich nicht blinzle, bekomme ich das meiste von dem mit, was passiert, als die Waffe losgeht.
Predo krallt nach Hurleys Augen und befreit sich aus dem Jackett.
Terry setzt sich ungefähr gleichzeitig mit Predo in Bewegung. Beide rennen auf mich zu.
Lydia scheucht Delilah und Ben in eine Ecke und baut sich vor ihnen auf.
Hurley wischt sich das Blut aus den Augen, lässt Predos Jackett fallen und macht einen Schritt auf die Waffen im gegenüberliegenden Teil des Raums zu.
Und ich? Ich hebe die Whiskeyflasche mit den verbliebenen zwei Fingern hoch und werfe eine Frage in die Runde.
– Also, bin ich jetzt der Einzige hier, der eine Knarre hat?
Diese Frage erregt allgemeine Aufmerksamkeit, und alle werfen einen kurzen Blick auf die Pistole, die ich auf dem Weg nach oben einem der Toten abgenommen habe und jetzt in der gesunden Hand halte.
– Ich glaube nämlich, dass alle außer mir auf Amandas Kommando hin die Waffen vor die Tür geworfen haben. Sollte ich mich in diesem Punkt irren, wird sich sicher gleich jemand melden.
Predo wischt sich eine blutverklebte Haarsträhne aus der Stirn.
– Erschießen Sie Hurley.
Hurley sieht ihn an.
– Hä?
– Er ist bei weitem der Gefährlichste von uns und am ehesten in der Lage, Sie aus dem Weg zu räumen. Erschießen Sie ihn jetzt.
Hurley sieht mich an.
– Du Verräter. Wusst ich’s doch.
Ich schwenke die Flasche hin und her.
– Ruhig, Hurley. Er will nur ein Handgemenge anzetteln.
– Hä?
– Eine Rauferei. Damit er entwischen kann.
– Wenn er sich prügeln will, also das kann er haben. Aber du, dich hätt ich nicht für einen von der Koalition gehalten, Joe.
Ich nehme einen Schluck.
– Hurley, alter Freund. Du konntest auch noch nie zwei und zwei zusammenzählen.
– Soll das ’ne Beleidigung sein oder wie?
Ich presse das kühle Glas der Flasche gegen meine Stirn.
– Mann, Hurley, ich hab euch nicht verraten. Sie waren schon da. Wir wollten uns euch gerade anschließen, als du reingeplatzt bist und alles vermasselt hast.
Er kratzt sich den Kopf.
– Ich würd dir ja gern glauben, aber ich weiß nicht so recht.
Terry schiebt sich die Brille den Nasenrücken hoch.
– Tun wir ihm doch den Gefallen und glauben wir ihm, Hurl. Keine Ahnung, aber von meinem Standpunkt aus war die Situation einfach zu chaotisch, um ein bestimmtes, nun ja, Muster erkennen zu können.
Ich nicke.
– Da hast du Recht.
Ich nehme noch einen Schluck.
– Was allerdings nicht heißt, dass es nicht doch am vernünftigsten wäre, Hurley zu erschießen.
Hurley macht eine wegwerfende Geste.
– Dann mach doch, schieß.
Er grinst.
– Ich glaub nämlich, ich kann das wegstecken. Und dann lass ich dich die Knarre fressen und hab für Mr. Predo hier immer noch genug Reserven übrig.
Ich sehe Predo an.
– Kann schon sein. Aber ich hätte da einen anderen Vorschlag.
Ich richte die Waffe auf das Fläschchen, das ich auf die Armlehne des Sessels gestellt habe.
– Ihr könnt ja versuchen, euch das Ding hier zu schnappen. Dann drück ich ab und wir werden sehen, wie verrückt die Kleine wirklich war.
– Ihr seid ja irre! Ihr seid alle vollkommen irre, verdammte Scheiße!
Delilah versucht, die Ecke zu verlassen, doch Lydia hält sie auf, schützt den Körper der Schwangeren so gut es geht mit ihrem eigenen und versucht nach Kräften, gleichzeitig Ben aus der Schusslinie zu halten.
Aber Delilah lässt sich nicht beirren.
– Wer verdammt nochmal seid ihr und worüber zum Geier streitet ihr euch eigentlich? Hört sofort auf damit. Könnt ihr uns nicht in Frieden lassen? Lasst mich und Ben und das Kind gehen. Wir sind
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