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Ausgesetzt

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Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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und Verwaltungsangestellte, und die waren alle neu.
    Wind kam vom Meer herüber. Es war vermutlich die heißeste Zeit des Tages, aber die Hitze schien hier nicht so feucht und unerträglich wie unten im Dorf.
    Kristas Hüfte hatte die kurze Fahrt im Laster ganz gut überstanden. Das wunde Gefühl war zwar noch da, begnügte sich im Moment jedoch damit, nur gelegentlich einen Aufklärungstrupp in ihre rechte Seite auszusenden. Aber Krista hatte das Bedürfnis, sich die Beine zu vertreten, und deshalb schwang sie sich, während Walker den weißen Schotterweg zum Haus ging, auf einem anderen Weg vor bis zur Kante des Plateaus.
    Eine Reihe ausgetretener Pfade führte durch das üppige Grün zum Meer hinunter. Robinson’s Place lag ziemlich hoch oben, trotzdem konnte Krista die träge an den Strand rollenden langgezogenen, blauen Wogen erkennen.
    Wunderschön, dachte sie.
    Als Walker aus dem Haus kam, war Krista nirgends zu sehen. Viel Glück hatte er nicht gehabt. Der Direktor hatte frühestens um vier für ihn Zeit. Seine Sekretärin wusste gar nichts über die Familie, der Robinson’s Place früher gehört hatte. Sie war erst seit zwei Jahren an der Schule, und außerdem kam sie aus Philadelphia. Sie hatte auch keine große Hoffnung, dass der Direktor etwas wissen würde. Er war zwar schon mehr als zehn Jahre hier, aber er war in Montego Bay geboren und aufgewachsen und hatte in England seine Ausbildung gemacht.
    Nichts im Inneren des Hauses war Walker vertraut vorgekommen. Entweder war er nie hier oder tatsächlich, wie Krista gemeint hatte, zu klein gewesen, um sich zu erinnern. Sein Gedächtnis hatte sich verschlossen, er konnte nicht weiter zurückdenken als bis zu dem Drahtzaun, dem Geräusch der vorüberbrausenden Autos, dem rotgesichtigen Mann, der plötzlich aus der Dämmerung getreten war.
    Er sah sich um. Krista saß nicht im Wagen. Sie spazierte nicht im Garten herum und stand auch nicht an der Plateaukante. Er fühlte Panik in sich aufsteigen und war schon drauf und dran, zum Abhang hinüberzurennen und hinunterzuschauen, als er sie entdeckte. Etwa auf halber Strecke zwischen dem Haus und dem Cricketfeld hockte sie auf einer Bank, die um eine riesige Eiche herumgebaut war, und unterhielt sich mit einem Schwarzen in grüner Arbeitskleidung.
    »Walker«, verkündete sie triumphierend, als er bei ihr angekommen war, »das ist Jamie O’Riley. Er kannte deine Großmutter. Er hat sie alle gekannt.«
    Etwas durchzuckte Walker wie ein elektrischer Schlag. Er setzte sich auf der anderen Seite neben den Mann. Aus der Nähe sah der Mann jünger aus als vorher.
    »Sie kannten meine Mutter?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Ein bisschen.«
    Walker schätzte ihn um die Dreißig. Schlank, beinahe dürr, mit einem attraktiven, wachen Gesicht.
    »Sie war älter als ich«, fuhr Jamie fort und fügte mit einem warmen Lächeln hinzu: »Sie hat uns sehr beeindruckt.«
    »Warum denn?«, fragte Walker und verkrampfte sich ein wenig. Wieviel wussten die Leute hier über sie? Über Robert?
    »Weil sie schwanger war und dabei noch so jung. Für eine Weiße.«
    »Und ihren Mann?«, fragte Walker. Er merkte, wie Krista ihn jetzt ansah.
    »Nein. Ich hab’s der jungen Dame schon gesagt, an ihren Mann erinnere ich mich nicht. Aber wie das Baby gekommen ist, daran kann ich mich noch erinnern. Miss Emile hat sich darum gekümmert.«
    »Wer ist Miss Emile?«
    Bei dieser Frage zog Jamie eine Zigarette aus der Hemdtasche, sah prüfend zur Villa hinüber und zündete sie sich an.
    »Meine alte Oma«, erwiderte er.
    Walker riskierte die große Frage. »Wie hieß das Baby?«
    »Na ja«, sagte Jamie, »es war ein Junge, das weiß ich noch. Sie wollen wissen, ob ich den Namen noch weiß, ob Sie’s waren?«
    Walker sah zu Krista hinüber. Wieviel hatte sie ihm erzählt?
    »So ist es«, sagte er.
    »Das hat mich nicht so interessiert. Ich war erst elf.« Er sah Walker an, als müsse er sich dafür entschuldigen.
    »Aber Ihre Großmutter weiß es bestimmt noch«, sagte Walker.
    »Miss Emile ist dreiundneunzig. Könnte sein. Ich hab der jungen Dame schon gesagt, dass ich Sie zu ihr bringen werde. Aber ich würde mir keine allzu großen Hoffnungen machen. Miss Emile war krank.«
    »Was ist mit Ihrer Mutter oder sonst jemand?«, wollte Walker wissen.
    »Meine Mutter ist tot. Mein Vater lebt irgendwo in Amerika. Miss Emile hat uns aufgezogen. Miss Emile, das ist meine Mutter.«
    Walker nickte. Er hatte verstanden – entweder die alte Frau oder

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