Ausgesetzt
Hause?«
»Na dort, wo der Minibus steht.« Der Alte hob den Kopf und sah Walker an. Offensichtlich wollte er ihn ein wenig aufziehen. »Ein Stück weiter oben an der Straße«, sagte er.
Als Walker wieder ins Zimmer kam, schlief Krista. Er schob die Glastür zu dem winzigen Balkon auf, ging hinaus und zog die Tür leise wieder zu. Ihm blieben nur viereinhalb Tage, jemanden zu finden, der etwas wusste, und Krista schlief.
Er sah sich um. Der Balkon bot nicht einmal Platz für einen Stuhl. Er steckte einen Fuß in das schmiedeeiserne Balkongitter und drehte sich eine Zigarette. Die Hitze, die ihm von der Mauer entgegenschlug, würde er vielleicht fünf Minuten aushalten. Er steckte die Zigarette in den Mund, fischte eine Packung Streichhölzer aus der Tasche und riss eines an. Schon tropfte ihm der Schweiß von der Stirn.
Krista öffnete die Glastür. »Jetzt geht’s mir schon besser«, verkündete sie.
Es stellte sich heraus, dass Andys Minibus kaputt war. Aber Andy, ein magerer Schwarzer im Muskelshirt und mit einem blauen Glasauge (das er wahrscheinlich billig erstanden hatte, wie Walker vermutete), hatte einen uralten Toyota-Kleinlaster, den er tageweise vermieten würde.
Walker und Andy wurden handelseinig, und Walker holperte die Straße in dem winzigen, schlammbespritzten Laster zurück zum Hotel, wo Krista draußen auf ihn wartete.
»Hübsch«, sagte sie.
»Na ja, so sind wir wenigstens allein«, stellte Walker fest und half ihr hinauf ins Führerhaus.
»Wie Sie meinen.« Während sie geschlafen hatte, hatten die Tabletten zu wirken begonnen. Die Schmerzen in der Hüfte hatten nachgelassen.
Walker fuhr bis zum Kai und von dort auf einer unbefestigten Straße einen sanften Hügel hinauf. Nach knapp einem Kilometer verengte sich die Straße und ging auf einer Ebene Richtung Westen weiter. Immer wieder erhaschten sie zwischen den Bäumen hindurch einen Blick auf das Meer tief unter ihnen.
Über ihnen und an den steilen Hängen unter ihnen klebten Holzhütten und bunt bemalte Häuser aus Beton. Frauen arbeiteten in kleinen Gärten, ein Mann baute ein neues Dach, Kinder winkten.
Allmählich kamen sie an ansehnlicheren Einfahrten vorbei. Die waren richtig ausgebaut und befestigt und führten wahrscheinlich zu den Winterhäusern der »Reichen«. Dann fiel die Straße jäh ab, und die Bäume wichen zurück. Ein großes Plateau öffnete sich vor ihnen, eine breite Schulter auf dem Three Mile Hill.
Auf einem großen, ebenen Feld spielten ein paar weißgekleidete Jungen Cricket. Ein schmales Gässchen zweigte von der Straße ab und führte zwischen zwei Steinpfeilern hindurch, auf denen ein bemaltes Holzschild verkündete:
The Christian Way School.
Walker fuhr unter dem Schild durch, vorbei an den Jungen und dem Cricketfeld (saftig grün dank der Rasensprenger, die selbst jetzt während des Spiels ihre Wassergarben in weiten Bögen von sich warfen) auf eine Gruppe von Gebäuden am Rand des Plateaus zu.
Die nächstgelegenen Gebäude – niedrig und offensichtlich neu, aus Brettern und weißem Gips erbaut – waren von mächtigen Eichen umstanden. Weiter weg, am Rand des Plateaus, stand eine Art Villa. Sie war anscheinend aus Kalkstein, weiß gestrichen und hatte einen Blumengarten an der Vorderseite. Das musste Robinson’s Place sein, obwohl es schon längst keinen Robinson – wahrscheinlich der ursprüngliche Besitzer, oder vielleicht der Erbauer – mehr gab. Das Haus war etwa siebzig Jahre alt.
Walker hielt vor der Villa an und betrachtete sie eine Weile eingehend. Er hatte gehofft, er würde sie wiedererkennen. »Es ist, als ob ich das erste Mal hier stehe«, sagte er.
»Dreijährige erinnern sich nicht an besonders viel«, erwiderte Krista. Sie hatte ihm schon einmal gesagt, dass sie sich an nichts erinnerte aus der Zeit, als sie drei war, doch das stimmte nicht. Sie erinnerte sich sehr wohl an ihre Metallprothesen, glänzend und kalt auf ihrer Haut. Erinnerte sich daran, wie sie versucht hatte, damit das Gleichgewicht zu halten, erinnerte sich, wie sie hingefallen war.
Ein dezentes Schild vor dem Haus verkündete, dass es die Büros und die Wohnung des Direktors der
Christian Way School
beherbergte.
Krista ließ Walker allein ins Haus gehen. Sie wollte nicht zusehen, wie er darin herumirrte auf der Suche nach Erinnerungen, die er nicht hatte. Außerdem war sie sicher, dass niemand an der Schule darüber Bescheid wusste, wer vor sechzehn Jahren hier gewohnt hatte. Bestimmt gab es nur Lehrer
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