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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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schafften sie ihr Gepäck und Kristas Rollstuhl an Bord, obwohl neben ihnen zwei vollbeladene Lastwagen die Rampe hochrumpelten.
    Die Schüler strömten an ihnen vorbei, Hafenarbeiter schrien und fluchten, das Schiffshorn dröhnte, und der Kapitän sah grimmig vom Steuerhaus herunter. Schließlich gab er Befehl zum Ablegen, und von irgendwo aus der Tiefe antwortete ein müder alter Motor mit Ächzen und Hämmern. Der Propeller brachte das Wasser zum Schäumen. Die Fähre entfernte sich langsam von der Anlegestelle, schwenkte ihr rundes Vorderteil hinaus ins Meer, erzitterte und folgte ergeben ihrer Bestimmung, wieder Kurs auf Reef Island zu nehmen.
    Krista and Walker flüchteten sich sofort in die Kabine, um der Sonne zu entgehen. Krista ließ sich auf einer Holzbank nieder, und Walker kaufte einem Jungen im zerrissenen T-Shirt, der hinter einem winzigen Tresen stand, eine Flasche kaltes jamaikanisches Bier ab. Krista wollte nichts, weder kalt noch warm.
    Walker trank sein Bier und dachte daran, dass er diese Überfahrt schon einmal gemacht hatte, wahrscheinlich sogar auf derselben Fähre. Er sah Lennie beinahe vor sich, vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, wie sie neben ihrer Mutter saß, vielleicht genau da, wo Krista jetzt saß. Lennie mit den dunklen Haaren, schwanger von ihrem eigenen Bruder.
    Er sah zu Krista hinüber. Sie hatte ihr Bargeld mit ihm geteilt, ihm genau die Hälfte gegeben. Damit er sich nicht wie ein Gigolo vorkam. So hatte sie es formuliert. Er hatte ein paar jamaikanische Dollarscheine, aber hauptsächlich amerikanische Zehner und Zwanziger.
    Kaum waren sie die Holzrampe heruntergekommen und hatten Reef Island betreten – Walker war zweimal gegangen, um Kristas zwei Koffer, ihre Reisetasche, seine Sporttasche und ihren Rollstuhl zu holen –, stürzten sich drei wüst aussehende Männer, zwei Frauen und etliche Kinder auf sie.
    Die Schüler der Privatschule kletterten in einen wartenden Bus und machten dabei so viel Spektakel, wie sie nur konnten. Die beiden Lastwagen donnerten davon. Die Männer, die Frauen und der Kindertrupp umringten Krista und Walker, redeten alle auf einmal und priesen mit leidenschaftlichen Gesten die Vorzüge und Standorte der hiesigen Touristenunterkünfte an. Jeder hatte seine eigenen Vorschläge. Diese Kakophonie spitzte sich immer mehr zu einem Streit zu und dann zu einem richtigen Gerangel, als die Kontrahenten sich um das Gepäck zu balgen begannen.
    Krista sah einen steilen Hang hinauf und entdeckte ein cremefarbenes Gebäude mit kleinen Balkons, das den Hafen überblickte. Es war kaum zu übersehen, mit seinen zwei Stockwerken beherrschte es das Dorf.
    »Was ist das?«, fragte sie. Alle hielten inne, um zu sehen, wohin sie zeigte.
    »Sam’s Inn, Missus«, sagte ein Junge. »Ich bring Sie hin.« Und flinker als irgendein anderer in der Gruppe hatte er sich Kristas größeren Koffer geschnappt und war damit losmarschiert. Die anderen Kinder rissen sich um das restliche Gepäck. Sie wieselten den Hang hinauf und ließen die Erwachsenen hinter sich.
    Krista taxierte die Steigung hinauf zur Hauptstraße und klappte dann ihren Rollstuhl auseinander. Die drei Männer und zwei Frauen beobachteten sie düsteren Blicks.
    Sie reichte Walker die Krücken. »Du wirst mich schieben müssen«, sagte sie und ließ sich langsam in den Rollstuhl sinken.
    Die holprigsten Stellen auf der unbefestigten Straße umfahrend, schob er sie bergauf. Er kam sich komisch vor, als wäre er ihr Pfleger. Jetzt verstand er, warum sie immer abgelehnt hatte, sich schieben zu lassen.
    Sams’s Inn gehörte Sam Weiss, einem massigen Deutschen mittleren Alters mit beginnender Glatze. Mit lauter, bellender Stimme rief er einen Mann aus dem leeren Speisesaal herbei. Er stellte ihn als Tom Tait, seinen Portier, vor. Tom war alt, hatte sehnige Arme und ging gebeugt. Weiss trug ihm auf, den Kindern das Gepäck abzunehmen.
    Walker verteilte jamaikanische Dollar. Die Kinder lachten, als sie das Geld in ihrer Hand befühlten, und rannten wieder hinaus in den strahlenden Sonnenschein und die Straße hinunter.
    Das Zimmer, das Weiss ihnen geben wollte, lag im zweiten Stock, aber es gab keinen Fahrstuhl.
    »Haben Sie ein Zimmer im Erdgeschoß?«, fragte Krista.
    Er sah sie erstaunt an. »Hier gibt es keine Zimmer, nur die Bar und den Speisesaal. Ich kann Ihnen ein Zimmer im ersten Stock geben, aber das geht zur Straße hinaus. Ich habe Dauergäste hier«, erklärte er. Dabei beugte er sich über den

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