Ausgesetzt
acht. Es war zwar schon dunkel genug – so dunkel es in einer reinen Wohngegend eben wurde –, doch für einen Einbruch war es noch viel zu früh. Er musste bis nach Mitternacht warten. Bis alle schliefen.
Aber es ist genau die richtige Zeit, sich umzusehen, dachte er.
Er hoffte, dass zumindest ein paar Fenster beleuchtet sein würden, durch die er ins Haus sehen konnte. Er musste herausfinden, wo Jake Nuremborskis Zimmer lag. Der Alte war krank, wahrscheinlich verbrachte er die meiste Zeit in seinem Zimmer. Es lag also nahe, den Scheck da zu verstecken.
Der Sekretär wohnte bestimmt woanders, aber der Mondgesichtige lebte vielleicht im Haus. Der Sekretär hatte Walker erzählt, Robert habe einen Pfleger, also waren insgesamt möglicherweise vier Leute im Haus. Er musste jeden einzelnen ausfindig machen, warten, bis nacheinander die Lichter in den Schlafzimmern ausgingen. Und er musste eine Tür oder ein Fenster finden, wo er später am ehesten einbrechen konnte.
Ich könnte zu einem Laden fahren und eine Taschenlampe kaufen, dachte Walker. Vielleicht gäbe es da auch ein Schraubenzieherset. Und da war noch der Radmutternschlüssel aus dem Kofferraum.
Er holte tief Luft. Alles würde klappen.
Er stieg aus, ging die Straße hinauf und bog um die Ecke. Als er sich dem Haus näherte, stellte er fest, dass alle Fenster auf der Vorderseite dunkel waren.
Walker stand vor dem schiefen Bretterzaun an der einen Seite des Gartens. Er konnte niemanden sehen und hoffte, niemand könne ihn sehen.
Er duckte sich und lief den Zaun entlang, bis ihm eine überbordende Zedernhecke den Weg versperrte. Sie wuchs hinüber bis an die Stelle des Hauses, wo die alten Ziegel aufhörten und die gelben Ziegel des Anbaus anfingen.
Er duckte sich zwischen die Äste, kniete sich hin und rastete einen Moment.
Der Boden unter seinen Knien fühlte sich kalt an, und er konnte seinen Atem sehen. Die Zedern hatten ihren durchdringend scharfen Geruch noch nicht verloren. Er hielt das Gesicht ganz nahe an die flachen Blätter und atmete tief ein. Der Duft von Zedern war gleichbedeutend mit Forellenfischen im Frühling und der Hasenjagd im Winter gewesen. Mit einem kühlen, schattigen Ort zum Bauen eines Unterstands im Sommer.
Und mit einem Ort zum Lesen und zum Träumen, als er älter war.
Plötzlich wurde Walker von Heimweh ergriffen nach Big River und den ausgedehnten Wäldern rundherum. Nach seiner Mutter und seinem Vater, die so gut zu ihm gewesen waren. Nach seinen sechs Schwestern, mit denen er aufgewachsen, die er geneckt und die ihn geneckt hatten.
Die Äste der Zedern streifend, schlich er sich zum Haus. Soweit er es erkennen konnte, waren die Originalfenster noch nicht durch eine Doppelverglasung ersetzt worden, und es gab auch keine Sturmfenster. So schnell es ging, überprüfte er das nächstgelegene Fenster.
Wahrscheinlich sind sie von innen verriegelt, dachte er.
Er musste zwar noch etwas finden, auf das er sich stellen konnte, doch dann galt es nur mehr, die Scheibe einzuschlagen, die Hand durchzustecken und den Riegel zu öffnen. Das einzige Problem wäre der Lärm.
Walker hatte einmal gelesen, dass man Glas am besten geräuschlos brechen konnte, wenn man es vorher vollständig mit Klebeband abklebte. Er beschloss, auch Klebeband zu kaufen, wenn er die Taschenlampe kaufen ging.
In diesem Moment wusste er, dass er bereit war, sich durch ein Fenster zu zwängen, die Treppe hochzuschleichen und das ganze Zimmer nach diesem Scheck zu durchsuchen, während der Mörder, Jake Nuremborski, in seinem Bett schnaufte. Überall würde er suchen, selbst unter der Matratze. Er hatte eine lange Reise hinter sich, und jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen. Er war zu beinahe allem bereit.
Ein Auto fuhr vorbei. Walker stand still und beobachtete, wie die Lichter am Ende des Zauns verschwanden. Dann kroch er unter der Zedernhecke durch in den hinteren Garten.
Das erste, was er sah, als er aufstand, waren die kuppelartigen Umrisse des Pavillons, in dem Robert Nuremborski damals gesessen hatte. Walker ging darauf zu, um sich zu vergewissern, dass der Pavillon diesmal leer war. Er setzte sich auf die Rollstuhlrampe und blickte auf die Rückseite des Hauses.
Durch das kleine Fenster in der Hintertür fiel schwaches Licht aus einem Flur.
Dieselben Fenster wie beim letzten Mal waren erleuchtet: das kleine Fenster unter dem Dachvorsprung im zweiten Stock und das sanfte blaue Licht hinter den beiden größeren Fenstern im Erdgeschoß des
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