Ausgesetzt
ging ans Telefon. Er packte Bobby am Hemd, schleppte ihn den Flur entlang, raus aus dem Haus und warf ihn in einen seiner Wagen.
Jake fuhr Richtung Norden, raste durch Regen und Finsternis, aber sie fuhren schließlich nur im Kreis, weil Bobby nicht die richtige Kiesstraße fand. Er konnte sich nicht erinnern, wo die Bäume waren, unter denen er seine Schwester versteckt hatte, wo sie vielleicht noch lebte, vielleicht noch atmete.
Sein Vater fuhr weiter und weiter, schrie Bobby an, stieß seinen Kopf weg, hämmerte auf ihn ein. Dann klammerte er sich nur mehr ans Lenkrad, fuhr blind durch den Regen und schluchzte verzweifelt. Weinkrämpfe schüttelten seinen Körper.
»Du hast das alles erfunden«, sagte Jake schließlich. »Das Ganze hat sich nur in deinem Kopf abgespielt. Es ist nie passiert. Du bist wahnsinnig geworden.« Er klang beinahe glücklich.
»Ich weiß, wo der Indianer ist«, sagte Bobby.
»Weißt du nicht«, antwortete sein Vater. Und dann, mit einem leichten Beben in der Stimme: »Zeig’s mir.«
Sie fuhren zum Sommerhaus, und Jake holte die Taschenlampe heraus, die er mitgenommen hatte. Er ging mit Bobby nach hinten. Der Regen hatte zwar fast aufgehört, lief aber noch immer in dünnen, geräuschvollen Strömen vom Dach. Der sandige Boden unter ihren Füßen fühlte sich weich an.
Bobby hob eine Falltür im Holzrost hoch, der eine alte Zisterne bedeckte. Er schob den schweren Holzdeckel weg und stellte ihn auf die Kante.
Sein Vater trat an den Rand des Lochs und leuchtete mit der Taschenlampe in die Dunkelheit.
Kyle starrte zu ihm hinauf, seine Gedärme hervorquellend und verschlungen wie ein Haufen Schlangen.
Jake stand eine Weile da, dann reichte er Bobby die Taschenlampe. Bobby spähte ebenfalls ins Loch hinunter und richtete die Lampe auf die Leiche. Es war nicht dasselbe wie vorhin, aber das hatte er auch nicht erwartet. Nur ein Hauch von Lust, wie eine verblasste Erinnerung, regte sich in ihm.
Und an diesen Augenblick erinnerte Bobby sich am lebhaftesten, sah ihn so deutlich vor sich, als durchlebe er ihn gerade jetzt.
Er blickt sich um und sieht seinen Vater durch Nebel und Regen auf sich zukommen. Die Augen rot, den Tod in seinem Gesicht. Eine Schaufel in seinen Händen, er reißt sie hoch, und sie fliegt durch die Finsternis wie ein Urteil …
Bobby wandte sich vom Wagenfenster ab, Walker wieder zu. Da lag er noch immer, zusammengekauert auf dem Boden, dann und wann irrten Lichter über seinen Körper hinweg.
Bobby war den Tränen nahe. Warum hatte sein Vater ihm das angetan? Er konnte die Stahlkante der Schaufel beinahe wieder in seinen Schädel krachen fühlen. Konnte fühlen, wie die Erde dröhnte und wegbrach.
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35
M ittlerweile fiel kein Licht von Straßenlampen oder vorüberfahrenden Autos mehr durch die getönten Scheiben, aber Walker merkte, dass der Wagen noch immer fuhr, wenn auch langsamer. Er machte enge Kurven und fuhr bergab, immer weiter bergab.
Er fühlte keinen Schmerz mehr in seinen Armen und Beinen. Sie waren taub, schon fast nicht mehr da.
Walker war nur Kopf und Rumpf und Atem.
Und Robert war irgendwo nah in der Dunkelheit.
Walker war klar, dass es nur zwei Dinge gab, die er tun konnte: schreien oder reden. Schreien würde nicht viel nützen. Damit würde er nur eine schnelle Reaktion provozieren, wenn nicht von Robert, dann von der Person am Steuer, wer immer das auch sein mochte.
Es war von Anfang an Robert gewesen. Robert im Sommerhaus, an dem Tag, als Alex Johnson ermordet wurde. Robert in dem Haus in Jamaika, in der Nacht, als Jamie überfallen wurde. Robert in Toronto, als Walker und seine Eltern nach Kanada zurückkehrten. Robert, nicht Jake. Der Alte hatte überhaupt nichts damit zu tun gehabt.
Walker schloss die Augen. Es war zu spät, sich wie ein Idiot vorzukommen. Außerdem war das einzige, was er im Moment spürte, zunehmende Panik.
»Telepathie?«, fragte Robert.
Walker öffnete wieder die Augen. Er konnte noch immer nichts sehen.
»Oder Handy? Woher, glaubst du, wusste ich, dass du an meinem Fenster warst? Ja natürlich, du hast mich telefonieren sehen. Schummler.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Walker. Sein Hals verkrampfte sich vor Schmerz, dort, wo der Strick ihn beinahe erdrosselt hätte.
»Mole war dir den ganzen Tag auf den Fersen. Mole hat dich an meinem Fenster gesehen, wie einen schlimmen kleinen Jungen. Er rief an«, fuhr Robert fort und klang, als wäre er sehr zufrieden mit sich, »und fragte, was er tun solle.
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