Ausgesetzt
unerträglicher Langsamkeit auf- und abschritt, hier jemanden an der zu lockeren Krawatte zog, dort an einem schmutzigen Kragen, einen dritten an der nicht ganz im richtigen Winkel sitzenden Mütze.
»So ein verfluchtes Arschloch«, sagten alle Jungen über Major Kellum, wenn das Licht gelöscht war. »So ein beschissener Irrer.«
Bobby lief Dimarco hinterher. Er stand oder saß gerne so nahe neben ihm, wie es nur ging. Er betrachtete gerne seine langen Wimpern, seine weichen Locken, seine rundlichen Mädchenhände. Dimarco war einen halben Kopf kleiner als Bobby, er war ein Jahr jünger, und er verursachte Bobby Herzrasen.
Weil der Itaker kein Wort gesagt hatte. Weil der Itaker wusste, wann er das Maul zu halten hatte.
Eines Tages marschierte Bobby den abschüssigen Weg hinunter in die Stadt. Er befand sich in einem Zustand beinahe außerkörperlicher Wahrnehmung. Er ging in eine Drogerie und kaufte eine Tube Zahnpasta. Sorgsam suchte er die kleinste aus. Er wollte Dimarco nicht nur etwas Zahnpasta in den Arsch spritzen, sondern ihm die ganze Tube hineinstecken.
An der Kasse fragte er sich, ob die Kassiererin sah, wie seine Hände zitterten. Er fragte sich, ob sie wusste, wozu er die Tube brauchte.
Er rannte die Straße zurück und die Hälfte des Weges hinauf, bis er nicht mehr rennen, nicht mehr atmen konnte. Er setzte sich auf den Hang. Vor seinem geistigen Auge konnte er sehen, wie Dimarco unter ihm um sich schlug. Er sah, wie die Zahnpastatube in ihn hineinglitt. Malte sich aus, wie er das verdammte Ding ausquetschte, damit herumfuhrwerkte, bis Dimarco schrie. Bis er nur mehr schrie. Und trotzdem würde Dimarco danach den Mund halten. Es war einfach perfekt. Dimarco würde keiner Menschenseele etwas sagen.
Bobby versteckte die Zahnpasta in einem Socken in seiner Schublade. In Bobbys nächtlichen Träumen flennte und heulte Dimarco. In der Nacht flehte Dimarco um Gnade.
Und am Tag lief Bobby ihm hinterher. Die Vorfreude war beinahe unerträglich.
Spät eines Nachmittags beobachtete Bobby, wie Dimarco den Sportplatz verließ, seine Schulsachen in einem Beutel über seiner Schulter. Klein-Carlo hatte sich nicht die Mühe gemacht, nach dem Fußballspiel auf dem kalten, schlammigen Platz zu duschen. Vielleicht, weil er Hemmungen hatte. Vielleicht, weil er noch misstrauisch war. Dass er nicht geduscht hatte, erkannte Bobby daran, dass Dimarcos Haar trocken war. Seine Locken scheuerten an seinem Mantelkragen.
Bobby lehnte an der Wand draußen neben der Tür, als Dimarco vorbeikam. »Gutes Spiel?«, fragte er.
Dimarco zuckte die Achseln, schaute zu Bobby, schien ein wenig zu erröten und ging eilig weiter. Bobby marschierte im Gleichschritt neben ihm her.
»Am Donnerstag spielen wir gegen die Blauen«, sagte er.
Dimarco nickte.
Bobby überlegte, ob Dimarco vielleicht mitgekriegt hatte, dass er ihn beobachtete, sich immer in seiner Nähe herumtrieb. Er war zwar sehr vorsichtig gewesen, aber etwas an der Art, wie der Junge über den Rasen hetzte, gab ihm zu denken. Vielleicht hat er jetzt schon Angst vor mir, dachte Bobby, und dieser Gedanke ließ sein Herz noch schneller schlagen.
»Ich muss in die Stadt. Ich geh mit dir«, sagte Bobby.
Dimarco sagte nichts.
Sie überquerten gemeinsam die Straße und gingen am Straßenrand weiter.
»Gehst du die Straße entlang oder über den Weg?«, erkundigte sich Bobby.
Wieder sah ihn Dimarco an und schien ein wenig zu erröten. »Über den Weg«, sagte er.
Es war Ende November. Der Himmel war kalt und grau und unschlüssig, ob er regnen oder schneien wollte. Bobby zitterte im Wind, obwohl er seinen neuen Tweedmantel anhatte, eines von der Unmenge von Dingen, die seine Mutter in Vorbereitung seines ersten Jahres in einer Militärschule in Tennessee gekauft hatte.
Er fragte sich, ob Dimarco auch fror. Er sah nicht so aus, aber er hatte ja auch eine Stunde Fußball hinter sich.
Sobald sie den Gipfel überwunden hatten und den steilen Teil des Weges in den Schutz der darunterliegenden Bäume hinabgeschlittert waren, wurde es Bobby wärmer. Hier war es auch dunkler. Die Sonne war bereits vor einer halben Stunde hinter den fernen Hügeln verschwunden. Zu beiden Seiten des Weges schoben sich Schatten durch den Wald.
Düsternis hing in den Zweigen.
Bobby fiel nichts ein, was er sonst noch sagen konnte. Dimarco ging eiligen Schrittes neben ihm, seine Beine, wenn auch kürzer, bewegten sich flink. Und nun ging es bergab, zwischen den Bäumen hindurch, auf gewundenen
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