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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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und legte sie auf den Rücksitz.
    »Hast du was gefunden?«, fragte er sie.
    »Fahren wir«, sagte sie.
    »Wie ist es gelaufen?«, wollte er wissen.
    Sie zog ihren Pullover hoch. Drei glänzende rote Jahrbücher steckten im Hosenbund.
    Einen Moment lang starrte Walker darauf, steckte sich die Zigarette zwischen die Zähne und grinste. Bonnie und Clyde. Mit quietschenden Reifen fuhren sie davon.
    Niemand hatte Alphonso gesehen, seit er Walker am Vortag von seiner dringenden Verabredung in Kenntnis gesetzt hatte. Walker und Krista eilten an einem misstrauisch dreinblickenden Joe Smart vorbei in Alphonsos leerstehendes Büro und schlossen die Tür.
    Krista hatte die Jahrgänge 1973–74, 74–75 und 75–76 mitgehen lassen, weil der Brief von Kim an Lennie vom September 1979 stammte, als Walker bereits drei Jahre alt war. St. Bridget sah nicht aus wie eine Schule, die schwangere Schülerinnen tolerierte, also musste es mindestens drei Jahre vorher gewesen sein, dass Lennie diese Schule besucht hatte,
falls
sie sie besucht hatte.
    Sie breitete die Jahrbücher auf Alphonsos Schreibtisch aus. »Ich schicke sie gleich zurück, wenn wir fertig sind. Allerdings ohne Absender«, sagte sie.
    Walker nahm eines der Jahrbücher zur Hand und setzte sich in den alten Ledersessel. Krista setzte sich hinter den Schreibtisch und blätterte ein anderes durch. Mehrere Minuten lang herrschte Schweigen im Raum, nur das Knistern umgeblätterten Hochglanzpapiers war zu hören.
    »Ich hab sie gefunden!«, sagte Krista.
    Walker lief um den Tisch herum.
    Krista hatte das Jahrbuch 1974–75 beim Foto der Klasse 9B aufgeschlagen. Unter dem Foto stand eine Liste mit den Namen der Mädchen. Ihr Finger zeigte auf die Worte »Kimberley Miller, zweite Reihe, dritte von rechts.«
    Walker betrachtete das Foto. Die Mädchen trugen genau die gleiche Uniform wie Alphonsos Nichte und ihre Freundinnen. Ein hübsches blondes Mädchen mit kurzem, gelocktem Haar lächelte ihn aus der zweiten Reihe an.
    »Ich glaube, das ist die auf der Luftmatratze«, sagte er.
    »Also hatten wir recht«, meinte Krista, »die Dunkle muss deine Mutter sein.«
    Während Walker ihr über die Schulter sah, blätterte sie weiter, bis sie fast am Ende des Buches angekommen war. Auf zwei gegenüberliegenden Seiten waren Momentaufnahmen mit witzigen Bildunterschriften zu sehen. Mädchen von St. Bridget beim Rasenhockey, Mädchen von St. Bridget beim Gesellschaftstanz, Mädchen von St. Bridget beim Leichtathletikbewerb. Und in den heiligen Hallen der Schule selbst.
    Genau gleichzeitig fiel ihr Blick auf ein kleines Foto unten auf der rechten Seite. Zwei Mädchen klammerten sich an etwas, das aussah wie eine Mülltonne auf Rädern, und fuhren einen Flur entlang, geschoben von einem ratlos aussehenden Hausmeister. Die Mädchen sahen einander an und lachten. Die Unterschrift lautete: »Kim Miller und Lennie Nuremborski helfen Mr. Taylor.«
    »Menschenskind«, sagte Walker.
    Krista blätterte zurück zu dem Foto der 9B. Eine Reihe hinter Kimberley Miller stand links dasselbe hochgewachsene, dunkelhaarige Mädchen. Sie sah zur Seite, als hätte sie gerade jemanden entdeckt. Sie war die einzige, die nicht in die Kamera schaute. Sie war die einzige, die nicht lächelte.
    Walker ging die Liste der Namen durch. Da stand: Lenore Nuremborski.
    »Sie ist so hübsch«, sagte Krista.
    Walker probierte es aus: »Lenore Nuremborski.« Dann sagte er, leicht benommen: »Ob sie schon schwanger ist?«

[home]
    10
    1972
    B obby beobachtete Carlo Dimarco.
    Er hatte einen Kratzer quer über einer seiner weichen Wangen, doch er hatte niemandem erzählt, woher er ihn hatte. Wahrscheinlich hatte er sich seiner Mutter und seinem Vater, dem Bürgermeister, zuliebe irgendeine Geschichte ausgedacht, wie er ausgerutscht und hingefallen war.
    Sein Schweigen brachte ihm Pluspunkte ein. Und einen gewissen Respekt. Man hatte ihm Zahnpasta in den Hintern gespritzt, und er hatte niemanden verpfiffen. Vielleicht erzählte ihm eines Tages jemand einen Witz. Vielleicht schloss sogar jemand Freundschaft mit ihm. Dann wäre Bobby der einzige Soldat in Southam ohne Freund. Bei diesem Gedanken lächelte Bobby insgeheim. Er verspürte so etwas wie ein Triumphgefühl.
    Bobby beobachtete Dimarco, wann immer er nur konnte. Im Unterricht. Auf dem Sportplatz, wo sie beide bemüht waren, mit einem Minimum an Aufwand davonzukommen. Bei der Parade für Major Kellum, der seine kleine Armee genau inspizierte, ihre Reihen mit

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