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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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Krista sagte, wer zum Teufel solle es denn sonst tun?
    Sie nahm Walker das Versprechen ab, nicht zum Haus der Nuremborskis zurückzukehren. Er versprach es, stieg in die Nummer Neunzehn, fuhr los und verschwand im Berufsverkehr. Forest Hill zog ihn an wie ein Magnet.
    Die Tage wurden schon kürzer. Von Norden war ein kühler Abendwind aufgekommen, und in Forest Hill fiel das Laub von den Bäumen. Walker konnte kaum das Geräusch seiner Reifen hören, als er ziellos die laubbedeckten Straßen entlangfuhr.
    Er bog in die Seitenstraße ein, die am Haus der Nuremborskis vorbeiführte. Das Gras war noch immer zu lang, die Sträucher wucherten noch immer wild. Um die herabhängende Dachrinne herum blätterte der grüne Anstrich ab. Moos und Gras und kleine Ahornzweige wuchsen aus der Dachrinne. Die Kaminziegel waren brüchig und bröckelten ab.
    Walker blieb stehen und blickte die Auffahrt hoch. Jetzt sah er, dass die Seitenmauer des Hauses über die ursprüngliche hintere Hausecke hinausging und vor nicht allzu langer Zeit ein einstöckiger Anbau aus gelben Ziegeln dazugekommen war.
    Die Auffahrt führte zu einer großen Holzgarage, die in früherer Zeit vielleicht einmal ein Pferdestall gewesen war. Sie war nicht gestrichen und sah genauso ungepflegt aus wie das Haupthaus. Eine Tür stand offen und schwang im Wind ein wenig hin und her.
    In keinem der Zimmer auf der Vorderseite des Hauses brannte Licht. Es hätte genausogut leerstehen können, seiner Einrichtung, mit Ausnahme einiger fleckiger Gardinen und Jalousien, vollständig beraubt. Aber Walker wusste, dass dem nicht so war.
    Mit beträchtlicher Willensanstrengung nahm er den Fuß von der Bremse und fuhr weiter.
    Walker war sich ganz sicher, dass der alte Mann in diesem Haus sein Großvater war, dass er wusste, was mit seiner Mutter geschehen war. Aber was für einen Sinn hätte es, an der Tür zu klingeln? Er würde jede Frage nach Lennie mit einer Bewegung seiner knochigen Hand abtun, genau wie beim ersten Mal.
    Walker fuhr durch die Straßen der Stadt, hielt halbherzig Ausschau nach Leuten, die ein Taxi heranwinkten. Er hoffte, niemanden zu sehen. Krista funkte ihn ständig an, erteilte ihm neue Aufträge, hielt ihn auf Trab, ließ die Verbindung nicht abreißen. Ihre Stimme verriet ihre Angst um ihn.
    Gegen sieben hatte er schon beinahe soviel verdient, wie Alphonso diese Nacht für die Miete des Taxis von ihm verlangen würde, und ihm war klar, er brauchte einen Plan. Er brauchte unbedingt einen Plan. Seine verschwundene Mutter, sein Vater, der Halbindianer, sein eigenes Blut, das in seinen Adern pulsierte, verlangte nach einem Plan.
    Wieder fuhr er die schmale Straße in Forest Hill entlang, doch diesmal parkte er nicht vor dem Haus, sondern fuhr die Auffahrt hinein. Er war Lennies Sohn. Er war ein Nuremborski. Er gehörte hierher.
    Dieses Gefühl hielt genau so lange an, wie er brauchte, die Tür zu öffnen und auszusteigen. Als er da stand, fühlte er wieder dieselbe Enge in der Brust wie drei Nächte zuvor. Und noch etwas nahm er wahr – eine gewisse Unruhe in der Luft, irgend etwas Unsichtbares im Dunkeln. Er lehnte sich an das Taxi. Eine Angst, die der gestaltlosen, durchdringenden Angst eines Kindes glich, durchflutete ihn. Er schloss die Augen und wartete, dass sie verging.
    Walker blickte wieder auf das Haus. Es war unverändert. Durch das lange Gras ging er darauf zu. Er stieg die Stufen hoch und läutete.
    Durch das Oberlicht fiel bereits ein schwacher Schein. Als er hochblickte zu dem roten Auge der Kamera, ging es ihm besser. Er würde ihnen ins Gesicht sehen und sachlich und nüchtern sagen, was er zu sagen hatte. Allerdings hatte er noch keine Ahnung,
was
er sagen oder tun würde. Einfach die Wahrheit fordern. Die Wahrheit!
    Wieder läutete er. Wartete. Läutete wieder. Und wieder. Niemand kam, und es würde auch niemand kommen. Er wusste, sooft er auch klingeln mochte, niemand würde kommen.
    Entschlossen ging er zur Auffahrt zurück und seitlich am Haus entlang. Rote Ziegelscherben knirschten unter seinen Arbeitsschuhen, aber er kümmerte sich nicht darum.
    Irgend jemand hatte Kerouac umgebracht, um ihn, Walker, zu erschrecken. Doch damit hatte er den gegenteiligen Effekt erzielt. Je länger Walker darüber nachdachte, desto mehr war er überzeugt, dass diese Aktion ein Zeichen der Schwäche gewesen war. Wenn sich jemand die Mühe gemacht hatte, Kerouac so lange zu beobachten, um zu wissen, dass der durch Walkers Fenster bei ihm ein und aus

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