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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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Niemand will Sie, Sie gehören nicht dazu. Lassen Sie sich hier nicht mehr blicken, oder Mr. Nuremborski holt die Polizei.«
    »
Ich
werde zur Polizei gehen!«, sagte Walker.
    Einen Augenblick dachte der Mann über das nach, was Walker gesagt hatte. »Machen Sie das, und Sie landen in einer psychiatrischen Anstalt und dürfen Babybrei löffeln.« Und er fügte hinzu, sanfter diesmal, eine andere Tour ausprobierend: »Sie irren sich, mein Sohn. Himmelherrgott, das ist nicht Ihre Familie.«
    Walker stolperte die Stufen hinauf, ging zurück zu seinem Taxi und stieg ein. Als er startete und die Scheinwerfer einschaltete, stand der Mann direkt vor ihm.
    Eine Welle der Frustration erfasste Walker. Er wollte losheulen und den Mann über den Haufen fahren.
    Statt dessen legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr mit aufheulendem Motor in einem Tempo die Auffahrt hinunter, dass die Ziegelscherben unter ihm davonspritzten. Unten bremste er und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
     
    »Eines Tages werden sie dich noch umbringen«, sagte Krista am nächsten Morgen bei Ruby, nachdem Walker ihr erzählt hatte, was passiert war. Dann zuckte sie die Achseln. Wenn er sein Wort nicht hielt, nicht tat, was er versprochen hatte – wie zum Beispiel, sich von dem Haus fernhalten –, konnte sie auch nichts tun. Zum Teufel mit ihm.
    Lange saßen sie an dem Tisch am Fenster zur Straße. Krista trank schlückchenweise Kaffee und Walker rauchte. Sie waren jetzt fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.
    »Was glaubst du, wer der Mann im Rollstuhl war?«, fragte sie ihn schließlich.
    Einen Augenblick lang antwortete Walker nicht, dann sagte er: »Er könnte mein Vater sein.«
    »Könnte sein«, sagte Krista vorsichtig. Sie sah, dass es mit Walkers Fassung nicht mehr weit her war, und wollte ihn nicht um den letzten Rest bringen.
    Er stand auf.
    »Wo gehst du hin?«
    »Nach Hause, schlafen.«
    Gemeinsam überquerten sie die Straße. Walker küsste sie, es war ein müder Kuss, und ging auf dem Gehsteig Richtung Church Street. Krista stand da und sah ihm nach. Vielleicht würde er sich umdrehen und ihr zuwinken, aber er tat es nicht.
    Seine Wohnung lag nur fünfzehn Minuten entfernt. Er stieg die lange Holzstiege hoch, schloss die Tür auf – die jetzt mit einem funkelnagelneuen Riegel gesichert war – und betrat das Zimmer, dessen nahezu vollständige Leere nun auch nicht mehr durch Kerouac gemildert wurde. Er ließ sich auf das Ausziehbett fallen, das noch immer bereitstand wie vor vierundzwanzig Stunden, und lag auf seinen zerwühlten Laken da wie ein Toter.
    Sechs Stunden später wachte er auf, direkt aus einem Traum. Er war segeln gewesen, doch allein, dabei war er noch nie gesegelt. Er wusste nicht, wie er steuern sollte, und der Wind trieb ihn in eine Richtung, in die er nicht wollte. Er blickte auf das Wasser hinaus, und es glänzte wie polierte Bronze, es wellte sich um ihn herum, stieg hoch, überragte ihn, als segle er am Boden einer Bronzeschüssel. Die Segel knatterten im Wind.
    Als er die Augen öffnete, saß er bereits mitten im Bett, die Kleider hatte er noch an, bis auf die abgetragenen, alten Arbeitsschuhe. Er konnte sich nicht erinnern, sie ausgezogen zu haben. Er sah auf den Wecker. Es war erst kurz nach Mittag.
    Er stand auf, durchsuchte die Taschen seiner Jeans und zog schließlich einen gefalteten Zettel hervor. Darauf standen Adresse und Telefonnummer von Kim Miller-Best.
    Walker griff zum Telefon, das er sich endlich hatte leisten können, und wählte die Nummer. Am anderen Ende klingelte das Telefon, klingelte erneut. Er fragte sich, ob sie wach sein würde. Er sah ihre bleiche weiße Hand vor sich, wie sie vom Sofa in dem Zimmer im Erdgeschoß herunterhing. Beim achten Klingelzeichen hob jemand ab.
    »Hallo«, sagte Kim. Ihre Stimme klang ein wenig belegt.
    »Hi. Ich bin’s. Walker.«
    »Walker?«, fragte sie.
    »Sie wissen doch, Lennies Sohn.«
    »Ach ja. Lennies Sohn. Arme Lennie!« Am anderen Ende der Leitung knisterte es. Walker konnte förmlich sehen, wie sie sich mit dem Handrücken über den Mund wischte.
    »Kim?«, sagte er schließlich.
    Sie war wieder in der Leitung. »Hi.« Sie war betrunken. Hatte ungefähr die doppelte Menge vom letzten Mal intus, so kam es ihm jedenfalls vor.
    »Ich habe gerade nachgedacht«, sagte Walker. »Über dieses Sommerhaus der Nuremborskis am French River, von dem Sie mir erzählt haben.«
    »Mhm«, sagte sie. »Es war so ein großer Kasten mit Türmchen und allem.

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