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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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sonnengebräunter Körper war teilweise von einem ausgebleichten roten T-Shirt und einer silbernen Badehose verdeckt. Er trug schwarze Sandalen. Seine Knie waren rot und dreckig, weil er wieder irgendwo herumgekrochen und irgendwas gemacht hatte.
    »Hi«, antwortete Bobby.
    »Wir waren fischen heut morgen. Mein Vater hat zwei Hechte gefangen. Ich gar nix.« Er kniete sich neben das Heck.
    »Hi«, rief er zu Bobbys Vater hinunter.
    Bobbys Vater hob den Kopf, sah, dass es Alex war, und lächelte.
    »Hallo, Alex. Kannst du mir einen Gefallen tun? Gib mir mal den Schraubenzieher da.«
    Flink kletterte Alex auf das Heck und reichte ihm den gewünschten Schraubenzieher. Bobby war klar, dass sein Vater genausogut selbst an den Schraubenzieher herangekommen wäre. Und außerdem war Alex über das polierte Deck gekrabbelt. Er hatte Spuren hinterlassen. Wie oft war Bobby dafür schon zusammengestaucht worden!
    »Danke«, sagte sein Vater, einfach so, als redete er von Mann zu Mann. Wieder beugte er sich in den Maschinenraum.
    »Magst du ein Floß bauen?«, fragte Alex Bobby und ging auf ihn zu. »Ich such Treibholz. Ich werd mir ein Floß bauen.«
    »Warum nimmst du nicht einfach ein Boot?«, fragte Bobby und sah zu ihm hoch. Die Sonne stand genau hinter dem Kopf des kleinen Jungen. So sah er aus, als hätte er einen Heiligenschein. Bobby musste blinzeln, um ihn sehen zu können.
    »Das ist ja nur der halbe Spaß. Außerdem lässt mich mein Vater nicht allein raus.«
    »Und du glaubst, auf so einem blöden Floß lässt er dich?«, fragte Bobby mit dem geringschätzigen Lächeln des Älteren.
    »Ich sag’s ihm ja nicht. Und dann weiß er nix. Magst du?«, sagte Alex mit verschmitztem Blick.
    »Vielleicht.«
    Auf diese Weise ermutigt, setzte Alex sich dicht neben den größeren Jungen.
    Für Bobby roch er nach warmem Gras. Nach Wasser. Nach Sonne. Die feinen Härchen auf seinen Armen und Beinen waren weiß gebleicht. Er hatte, wie Bobby, den Großteil dieses Sommers mit seiner Mutter am Fluss verbracht. Bobby war zwar schon fünfzehn, doch er hatte keine Freunde. Er passte nirgendwo dazu. Er wollte auch nicht.
    »Wir grillen heute«, sagte Alex.
    Er streckte sich und versuchte, seine Zehe ins Wasser zu tauchen, aber er kam nicht hin. Er zog die Sandalen aus, drehte sich auf den Bauch und rutschte vom Steg hinunter, bis seine Füße langsam ins Wasser tauchten.
    Bobby sah hinüber zu seinem Vater. Der war noch immer beschäftigt, lag kopflos auf seinem Boot.
    Bobby streckte die Hand aus und hielt Alex’ schmales Handgelenk fest. Es fühlte sich knochig und zerbrechlich an. Seine Haut war warm.
    »Fall nicht rein«, sagte Bobby.
    Alex sah zu ihm hoch und lächelte.
    »Wollen wir schwimmen gehen?«, fragte er
    Bobby hielt sein Handgelenk fest. Er fühlte, wie sich die Muskeln in seinem eigenen Bauch anspannten. Ein leichter Schauder durchfuhr ihn. Er fragte sich, ob Alex es bemerkt hatte, aber es sah nicht so aus.
    Etwas Vertrautes durchflutete Bobby, ein herrliches Gefühl brachte sein Blut in Wallung. Er dachte an Carlo Dimarco und packte Alex’ Handgelenk noch fester.
    Alex schien es nicht zu bemerken. Er sah jetzt über die Schulter auf seine Füße und paddelte träge im Wasser.

[home]
    15
    W alker bedeckte die Leiche von Kerouac mit Steinen, die er von einem Haufen am Feldrand geholt hatte. Kerouac, der Katzenvagabund. Bald waren sie zu einer kleinen Steinkrypta angewachsen.
    Er hockte unter den narbenbedeckten Armen einer Eiche, die sich bestimmt schon über hundert Jahre an den Rand des Flußtals klammerte. Krista hatte sich geweigert auszusteigen. Ihr Gesicht war bleich.
    Schweigend fuhren sie zurück nach Toronto. Krista hielt ihren Blick fast die ganze Zeit auf die vorüberziehende Landschaft gerichtet.
    »Ich bin Indianer«, flüsterte er, aber sie wandte sich nicht einmal zu ihm um.
    Gerade eben waren Walkers Vergangenheit und seine Gegenwart aufeinandergestoßen, und das hatte eine Katze das Leben gekostet. Was immer sie sonst noch dachte, Krista behielt es für sich.
    Etwa zwanzig nach vier hielten sie vor A. P. Taxis, gerade rechtzeitig, um Nick nach seinem Schichtende den Wagen zurückzugeben, sich zwei Kaffees zum Mitnehmen bei Ruby zu holen und, ohne geschlafen zu haben, ihre eigene zwölfstündige Schicht anzutreten.
    Krista war der Meinung, Walker solle diese Nacht nicht Taxi fahren. Walker sagte, mit ihm sei alles in Ordnung. Walker war der Meinung, Krista solle diese Nacht nicht am Funktisch sitzen.

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