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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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ging, dass Walker ihn fütterte und an ihm hing, dann hatte dieser Jemand auch Walker kommen und gehen sehen. Also stand auch Walker auf der Abschussliste.
    Da bin ich, dachte Walker, als er die dunkle Auffahrt entlangging, da bin ich jetzt, wenn ihr Mumm in den Knochen habt.
    Er hatte schon fast den gelben Anbau erreicht, als er ein Stöhnen hörte. Er blieb stehen. Ein entfernter Knall. Noch einmal das Stöhnen.
    Walker starrte in die trübe Finsternis. Noch ein dumpfer Knall, ein Stöhnen. Die schwingende Tür, die er an der alten Garage gesehen hatte, fiel ihm wieder ein. Der Wind fegte in Böen ums Haus, und Walker lauschte. Ein Knall, ein Stöhnen.
    Er ging die Auffahrt weiter, vorsichtiger jetzt, am Anbau vorbei. Er konnte die Garage erkennen, ein dunklerer Umriss in der ihn umgebenden Düsternis. Er ging noch ein paar Meter weiter.
    Drei beleuchtete Fenster erhellten die Dunkelheit: zwei im Anbau, beide von trübem blauem Licht erfüllt, das wie Wolken in der Luft hing, und ein kleineres Fenster im zweiten Stock, direkt unter der Dachrinne. Eine Hintertür stand offen, aus der ein Streifen gedämpften gelben Lichts fiel.
    Walker konnte ein paar Steinstufen ausmachen, die von der Auffahrt in den unteren Teil des Gartens führten. Der Garten selbst schien vollgestopft mit den schwarzen Umrissen von Bäumen und Sträuchern, und in der Mitte zeichnete sich eine massigere, kuppelförmige Kontur ab.
    Darauf bewegte er sich zu.
    Dieses Etwas schien von matter Senffarbe zu sein, was es war, konnte er jedoch immer noch nicht erkennen. Er sah zum Haus zurück. Niemand erschien in der beleuchteten Tür.
    Er machte noch einen Schritt, und die Konstruktion zeichnete sich deutlicher ab: ein großer Gartenpavillon. Eine breite geschwungene Treppe mit einer hölzernen Rampe darüber führte von einer sanften Bodenerhebung hinauf.
    Noch zwei Schritte, und etwas Metallisches blitzte im Pavillon auf.
    Walker blieb stehen. Er konnte jetzt einen Rollstuhl ausmachen und eine dunkle Gestalt, die in eine Decke gehüllt war. Einen Fleck weißer Haut, ein verschwommenes Gesicht.
    Walker schlich näher. Die Gestalt sah nicht in seine Richtung, sondern war etwas von ihm abgewandt: ein Mann, vielleicht in den Dreißigern. Sein Kopf hing zur Seite und lag leicht auf der Schulter, als ob er schliefe – oder ihm soeben jemand das Genick gebrochen hätte.
    »Wie können Sie es wagen?«, zischte eine Stimme Walker ins Ohr. Eine Hand wirbelte ihn herum.
    Walker stand demselben Mann gegenüber, der drei Nächte zuvor an die Tür gekommen war. Der Mann im Straßenanzug mit der Nickelbrille.
    Walker war über einsachtzig. Der Mann vor ihm war mindestens einen halben Kopf größer und hielt Walker am Kragen seiner Lederjacke fest.
    »Verlassen Sie dieses Grundstück«, sagte der Mann und packte mit der anderen Hand Walkers Ärmel.
    »Der Mann in diesem Haus«, sagte Walker, überrascht, dass er überhaupt ein Wort über die Lippen brachte, »ist mein Großvater!«
    »Falsch«, gab der Mann zurück, zerrte Walker vom Pavillon weg und lockerte keinen Augenblick seinen Griff. »Und Sie haben hier nichts verloren.«
    Schlangengleich ließ Walker beide Arme in die Höhe schnellen und schlug die Hände des großen Mannes zur Seite. »Ich möchte mit Jake Nuremborski sprechen«, sagte er.
    Der Mann versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, dass ihm Hören und Sehen verging und er einen halben Meter rückwärts stolperte.
    »Verlassen Sie dieses Grundstück«, wiederholte der Mann.
    Walker sah an ihm vorbei zum Pavillon. Die Finsternis begann ihn wieder zu verschlucken, doch Walker sah genug, um zu erkennen, dass der Mann im Rollstuhl verschwunden war.
    »Na los!« Noch ein Stoß vor die Brust.
    Während Walker rückwärts zu den Stufen zurückstolperte, die ihn wieder zur Auffahrt brachten, sah er sich den massigen Mann an. Er wusste seine Größe und sein Gewicht zwar erfolgreich einzusetzen, trotzdem bemerkte Walker die Furcht auf seinem angespannten fleischigen Gesicht. Er hatte schon gesehen, wie schnell Walker war, wie leicht er sich seinem Griff entwunden hatte. Schweiß glänzte auf der Stirn des Mannes, und in seiner Stimme lag ein leichtes Zittern. Und er war garantiert schon fünfzig.
    »Mr. Nuremborski hat einflussreiche Freunde«, zischte der Mann jetzt. »Wie würde es Ihnen gefallen, verhaftet und auf Ihren Geisteszustand untersucht zu werden? Wie würde es Ihnen gefallen, weggesperrt zu werden? Hier gibt’s nichts für Sie zu holen.

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