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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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Beinen. Bestimmt konnten auch andere Leute dieses Licht sehen. Anfangs würden sie sich fürchten, dachte Bobby, doch dann würden sie sich um ihn scharen. Sie würden zittern und auf die Knie fallen. Er würde ihnen nicht weh tun, sondern sie aufheben. Sein Vater würde daneben stehen und zusehen. Seine Augen wären erfüllt von Verwunderung und Zuneigung.
    Als Bobby am Landesteg ankam, sah er mehrere Boote mit eingeschalteten Lichtern, die das Ufer absuchten. Und auf der Straße hinter ihm gingen Leute mit Taschenlampen in den Händen. Ein Streifenwagen kam um die scharfe Kurve, die die Straße hier machte, und hielt bei den Leuten an. Er konnte sie reden hören – Bobby lauschte angestrengt, konnte jedoch nicht hören, was gesagt wurde. Dann fuhr der Streifenwagen langsam weiter. Die Leute überquerten die Straße, nahmen die Abkürzung zum Fluss hinunter, in Richtung des Pfades, der in das angrenzende Revier führte.
    Niemand hatte Bobby gesehen. Niemand hatte das Licht gesehen, das von ihm ausging. Und nun konnte auch Bobby es nicht mehr sehen.
    Kalter Dunst stieg vom Fluss auf. Bobby begann zu zittern, und seine Zähne schlugen aufeinander, als wäre er ein kleines wütendes Tier. Auch seine Beine zitterten, und er hätte sich am liebsten hingelegt, doch statt dessen kletterte er die Böschung hinter dem Steg hoch. Die Luft war voller Stimmen. Alle redeten über Alex. Auf den Booten. Auf den dunklen Pfaden. In den Ferienhäusern.
    Eine Weile lag Bobby da und hielt sich die Ohren zu. Als es ihm wieder besser ging, setzte er sich auf und schaute hinaus auf den Fluss, über die Boote hinweg, die das Ufer absuchten. Er hielt Ausschau nach einem Lichtkegel, der über das Wasser schweifte. Er hielt Ausschau nach seinem Vater.
    Als sein Vater zurückkam, stand ein Beamter der Provinzpolizei auf dem Steg, die Mütze aus der Stirn geschoben, und rauchte.
    Bobby saß noch immer auf der Böschung, doch er war jetzt ruhiger, in seinem Inneren herrschte Frieden. Und obwohl der Dunst noch immer vom Wasser emporstieg, nahm er ihn kaum wahr.
    Bobby hatte nicht die geringste Angst verspürt, als er den Polizisten erblickt hatte, wie er mit seinem roten Gesicht und seinem fetten Arsch die Holzstufen hinunterpolterte. Der Typ hatte ihn nur daran erinnert, wie sehr er dem Rest der Menschheit überlegen war. Er war der Auserwählte. Beinahe hätte er laut herausgelacht.
    »Alle suchen nach dem kleinen Johnson«, hatte der Polizist im Vorbeigehen gesagt.
    »Ich weiß«, hatte Bobby geantwortet. »Meine Mutter ist gerade drüben bei den Johnsons. Meine Schwester auch.«
    Der Polizist hatte eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche gefischt. Bobbys Haltung, die Arme im Sitzen um die Beine geschlungen, den Blick trauervoll aufs Wasser gerichtet, hatte er als Zeichen des Kummers interpretiert und gesagt: »Du brauchst dir keine Sorgen machen, mein Junge. Wir finden ihn schon.«
    »Ich weiß«, hatte Bobby geantwortet.
    Genau in diesem Augenblick hatte das Licht seines Vaters aufgeleuchtet, der soeben die
Chestnut Alley
vorsichtig vom Fluss hereinmanövrierte.
    Der Polizist bückte sich unbeholfen, um den Bug des Schiffs zu erwischen. Und so konnte Bobby sehen, wie sein Vater sich mit ernstem Blick umsah. Die Glut seines Blicks traf Bobby. Der Vater sah wieder zu dem Polizisten hin.
    Wortlos stellte er den Motor ab, stieg behende aus und befestigte Bug und Heck am Steg. Als er damit fertig war, richtete er sich auf und sagte mit seinem strahlenden Lächeln: »Ich danke Ihnen. Gibt es Ärger?«
    »Ein Kind wird vermisst. Alles ist auf den Beinen und sucht nach ihm.«
    »Nach wem?«, fragte sein Vater, und wieder durchbohrte sein gefährlich scharfer Blick Bobby. Bobby saß einfach da, auf dem Boden, unter der schwachen Lampe des Stegs, sein Gesicht halbverdeckt vom Schirm seiner Mütze.
    »Ein Junge namens Alex Johnson«, antwortete der Polizist.
    Das Gesicht seines Vaters verriet nichts. Es sah noch genauso aus wie eine Sekunde zuvor, genauso attraktiv, genauso aufmerksam. »Alex?«, wiederholte sein Vater. »Ein lieber Junge. Ich hoffe, sie finden ihn.« Er ging hinüber zum Bootshaus, um die Plane zu holen, mit der er das Boot über Nacht zudeckte.
    »Sie haben ihn heute nicht zufällig gesehen, oder?«, fragte der Polizist.
    »Nein«, sagte er, ohne sich umzusehen, und ergriff die Plane.
    Der Polizist drehte sich um zu Bobby, als ob er sich plötzlich an ihn erinnerte. »Und du, hast du Alex heute gesehen, mein Junge?« Noch

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