Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
Vom Netzwerk:
die Geisterstimme wieder vernehmen. »Nichts für ungut.«
    »Schon klar«, sagte Walker zur Wand. Er wartete ab, ob noch etwas kommen würde. Als das ausblieb, fragte er weiter. »Warum sagen Sie das? Dass er seltsam war?«
    »Ich selbst habe ihn ja eigentlich nicht gekannt«, schaltete sich Herman Nietzsche ein. »Nur sein Boot kannte ich. Wir sind immer fischen gegangen, und ein-, zweimal im Jahr schaute dann einer der Jungs auf und sagte: ›Da kommt der alte Nuremborski.‹ Er kam mit seinem Mahagony-Oldtimer dahergeschippert, der war so leise, dass man ihn kaum gehört hat.«
    »Aber Sie wissen nicht, warum das Haus vernagelt wurde?«
    »Wir sprechen nicht gern darüber«, antwortete der Makler mit leidendem Blick. Er blies die schwabbeligen Backen auf.
    »Worüber?«
    »Ein kleiner Junge wurde dort ermordet.«
    »Ach was?«
    »Das Nuremborski-Haus war dem Tatort am nächsten, vielleicht hat ihm das was ausgemacht.«
    »Das war nicht der Grund«, sagte die Stimme.
    »Sag ich ja nicht, Daddy. Ich denke nur laut nach. Die Leute sagen das.«
    »Na, dann irren die sich eben. Das mit dem Jungen ist Jahre vorher passiert. Und du solltest das wissen.«
    »Ja, schon möglich.« Der Mann sah Walker an und schüttelte seinen Riesenschädel, als wolle er sagen, Mensch, jetzt geht das wieder los.
    Walker hörte das Rücken eines Stuhls, und dann kam ein winziger Mann hinter der Trennwand hervor. Er war so dünn wie sein Sohn dick war, trotzdem war die Ähnlichkeit unübersehbar. Sie trugen sogar dieselbe Art von beigem Anzug und gelber Krawatte, nur dass der Vater in den Sakkoärmel des Sohnes hineingepasst hätte.
    »Das war bestimmt vier, fünf Jahre bevor Mr. Nuremborski alles dichtgemacht hat. Bring die Dinge nicht durcheinander, Herm. Außerdem wird es uns in keiner Weise daran hindern, einen Käufer für das Haus zu finden. Hier erinnert sich kaum mehr jemand an den Vorfall, und von außerhalb erst recht nicht. Er ist völlig bedeutungslos.«
    Nietzsche Senior ging ans Fenster und sah hinaus. »Ist das Ihr Wagen da drüben?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Walker.
    »Sie waren noch nicht bei Myerscroft, oder?«
    Myerscroft, daran erinnerte sich Walker jetzt, war der Name des anderen Immobilienbüros.
    »Nein«, sagte Walker. »Ich bin zuerst zu Ihnen gekommen.«
    »Gut. Es ist nämlich so, dass Ralph sich im Frühstadium von Alzheimer befindet, bloß hat niemand den Mut, es ihm zu sagen.«
    »Wir wissen das doch gar nicht«, sagte sein Sohn, der ein wenig zusammengezuckt war.
    »Ist doch offensichtlich«, gab der Alte zurück. »Sie sind also der Enkel? Es tut mir leid zu hören, dass Mr. Nuremborski leidend ist. Ich gebe Ihnen einen Rat. Es würde sich wirklich lohnen, das Haus neu zu streichen und ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Eine kleine Investition, bevor es auf den Markt kommt, wird sich dreifach für Sie bezahlt machen.«
    »Danke«, antwortete Walker. »Was genau ist denn dem Jungen damals passiert?« Walker sah wieder den Mann hinter dem Schreibtisch an.
    Der warf einen Blick auf seinen Vater. »Wie Daddy bereits sagte, ist das schon lange her. Und nicht unbedingt das, was die Handelskammer ein Verkaufsargument nennen würde. Aber ich selbst erinnere mich natürlich. Ich war damals bei der freiwilligen Feuerwehr. Ich hab’s gesehen.«
    »Herman konnte eine Woche lang nicht schlafen«, sagte Nietzsche Senior. »Seine Mutter dachte schon, er würde Tabletten brauchen. Aber das war alles vier, wenn nicht fünf Jahre, bevor die Nuremborskis weggegangen sind. Gib ihm deine Karte, Herm.«
    Der Alte kam zurück von der Tür und schüttelte Walker die Hand. »Sobald ihr Großvater dahingeschieden ist, stehen wir Ihnen und Ihrer Mutter herzlich gern zur Verfügung.« Für einen kleinen Mann hatte er einen erstaunlich kräftigen Händedruck.
    »Danke«, sagte Walker. »Reine Neugier, aber warum sagten Sie, mein Großvater wäre seltsam?«
    Der Winzling lächelte mit all der Wärme, die er aufbringen konnte. »Ich wollte damit nur sagen, dass er ein Mann war, der gern für sich blieb. Seine Frau und die Kinder waren fast den ganzen Sommer hier. Sie kam ständig in die Stadt, einfach um mit jemandem zu plaudern, zumindest dachte ich das. Richtig nett. Aber er nicht. Er war sowieso nicht viel da, und wenn, dann versäumte er nicht, einen spüren zu lassen, dass er ein bisschen reicher war als man selbst. Und so war es bei einem Mann wie ihm eigentlich gar nicht verwunderlich, dass er das Haus dicht machte und

Weitere Kostenlose Bücher