Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Seiten des geborgten Telefonbuchs durchzublättern. Als mich das langweilte, griff ich nach dem ersten der drei Taschenbücher, die ich zu diesem Zweck eingepackt hatte. Es war beruhigend, dass die meisten der umliegenden Häuser dunkel blieben, was vermuten ließ, dass ihre Bewohner noch in der Arbeit waren.
    Um zehn nach acht kam ein Ford Fairlane angefahren, der langsamer wurde und in Mistys Einfahrt bog. Im nachlassenden Tageslicht schimmerte der Lack auf der Fahrerseite, als leuchtete er von selbst. Eine Frau stieg aus. Sie trug ein weißes, 352
    rückenfreies Top, enge Jeans und Stilettos ohne Strümpfe.
    Nachdem sie zwei sperrige Einkaufstüten aus Plastik vom Rücksitz gehievt hatte, marschierte sie zur Haustür, schloss auf und verschwand. Auf ihrem Weg durchs Haus machte sie in einem Zimmer nach dem anderen Licht. Das musste Misty Raine sein, die Frau, die ich suchte.
    Bis jetzt hatte noch niemand meine Anwesenheit in der Straße beanstandet. Ich stieg aus, holte die orangefarbenen Plastikkegel und stellte sie wieder ins Auto – schließlich wollte ich auf alles vorbereitet sein. Zunächst wandte ich mich jedoch mithilfe einer kleinen Taschenlampe, die ich aus meiner Tasche gekramt hatte, wieder meinem Lesestoff zu. Hin und wieder blickte ich auf, doch das Haus blieb ruhig, und weder kam noch ging jemand.
    Um zwanzig vor zehn leuchteten Außenscheinwerfer von der Intensität einer Gefängnishofbeleuchtung auf und tauchten die Einfahrt in hartes, weißes Licht. Misty kam heraus, ließ die Lichter im Haus an, stieg in ihren wuchtigen Ford und fuhr rückwärts aus der Einfahrt. Ich wartete fünfzehn Sekunden, ließ den Käfer an und folgte ihr.
    Ab der ersten Kreuzung herrschte genügend Verkehr, um mir Deckung zu bieten, obwohl Misty meiner Meinung nach keinen Grund zu der Annahme hatte, dass sie verfolgt wurde. Sie fuhr gelassen und vollführte keinerlei abrupte oder trickreiche Manöver, die irgendwelche Befürchtungen in Bezug auf den dreizehn Jahre alten hellblauen VW Käfer hätten vermuten lassen, der drei Wagen hinter ihr fuhr.
    Unser Weg führte uns in die Stadt. An der East 4th bog sie rechts ab und fuhr nach einem halben Block auf einen kleinen Parkplatz zwischen einem Asien-Restaurant und einem Mini-Supermarkt, auf dessen Markise stand: LEBENSMITTEL *
    BIER * SPIELAUTOMATEN. Ich drosselte das Tempo und
    hielt am Straßenrand. Dort breitete ich den Stadtplan von Reno aus und studierte die Straßen. Ich weiß nicht, warum ich mir solche Mühe gab, meine Absichten zu verschleiern. Misty 353
    schien mich überhaupt nicht zu bemerken, und auch sonst kümmerte es keine Menschenseele in Reno, was ich trieb. Ich sah sie den Laden betreten und nutzte die Gelegenheit, um ebenfalls auf den Parkplatz zu fahren, wo ich so nah an der Einfahrt parkte wie möglich. Jede Parklücke war mit Farbe markiert, und eine an die Mauer neben dem Laden
    angeschlagene Tafel verkündete, dass die Gebührenzahlung auf Treu und Glauben erfolgte. Brav suchte ich nach dem
    entsprechenden Kästchen und schob die Anzahl von
    Dollarscheinen hinein, die für mein Gefühl die Parkzeit abdeckten. Ich war derart fasziniert von dieser Demonstration kommunaler Tugend, dass ich Misty erst bemerkte, als sie die Straße bereits halb überquert hatte. Sie futterte einen Schokoriegel und hatte eine Stange Zigaretten unter dem Arm.
    Ihr Ziel lag direkt vor ihr. Es war ein Striptease-Lokal namens Flesh Emporium. Unter der doppelten Reihe von Glühbirnen, die den Namen bildeten, blinkte ein Neonschild: GIRLS, GIRLS, GIRLS … NACKT, SCHARF UND WILD. Darunter
    stand in kleineren Lettern: TÄTOWIERUNGEN UND
    PIERCINGS SOFORT. Und dann noch kleiner: BÜCHER,
    VIDEOS, LIVE-ZEITSCHRIFTEN. Der Türsteher winkte sie hinein. Ich wartete einen Anstandsmoment ab, ehe ich die Straße überquerte. Sie verlangten zwanzig Dollar Gedeckpauschale, die ich nur sehr ungern entrichtete. Ich bezahlte, nahm mir jedoch vor, den Betrag auf meine Spesenabrechung zu setzen, allerdings so, dass nichts auf bezahlten Sex hinwies.
    Drinnen tat sich ein Spielsalon bescheidener Größe vor mir auf, in dem dick der Zigarettenrauch hing und alles im Schein der Lichter von hundert einarmigen Banditen schimmerte, die Rücken an Rücken dastanden. Im Vorübergehen vernahm ich die weichgespülte, geistlose Flöten- und Glöckchen-Musik, die beim Spielen aus den Automaten ertönte. An der mit
    schalldämmenden Platten verkleideten niedrigen Decke hingen zylindrische Spots, Kameras,

Weitere Kostenlose Bücher