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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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fragenden Blick zu. Sie sah mich selten mit einem Mann, geschweige denn mit zweien an einem Abend.
    Cheney bestellte sich ein Bier. Als sie weg war, stützte ich das Kinn auf die Faust, um ihn anzusehen. Sein Gesicht war glatt, und nur an den Außenwinkeln seiner Augen war ein
    hauchdünnes Netz von Fältchen zu erkennen. Er trug ein dunkles Wildledersakko im Farbton von Kaffeesatz. Dazu ein beiges Hemd und eine braune Seidenkrawatte, die leicht schief hing. Ich fasste hinüber und rückte sie gerade. Er ergriff meine Hand und küsste mich auf den Zeigefinger.
    Ich lächelte. »Hattest du schon mal eine Affäre mit einer älteren Frau?«
    »Sprichst du von dir? Da muss ich dich aufklären, Kindchen.
    Ich bin älter als du.«
    »Bist du nicht.«
    »Ich bin neununddreißig. April 1948.« Er zückte seine Geldbörse, klappte sie auf, nahm seinen Führerschein heraus und hielt ihn mir hin.
    »Wahnsinn. Du bist Jahrgang 1948?«
    »Was hast du gedacht, wie alt ich bin?«
    »Jemand hat mir gesagt, du seist vierunddreißig.«
    »Lügen. Nichts als Lügen. Du darfst kein Wort von dem glauben, was du auf der Straße hörst.« Er steckte seinen Führerschein wieder in die Geldbörse, klappte sie zu und steckte sie in die Hosentasche.
    »Dann hast du dich ja noch besser gehalten, als ich dachte. Sag mir noch mal Tag und Monat. Ich habe nicht genau
    hingesehen.«
    »Am achtundzwanzigsten April. Ich bin Stier, genau wie du.
    Deshalb verstehen wir uns ja so gut.«
    »Stimmt das?«
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    »Klar. Schau uns doch an. Wir sind Erdzeichen. Wir sind die Pfadfinder des Tierkreises. Entschlossen, praktisch, zuverlässig, gerecht, stabil – anders ausgedrückt sterbenslangweilig. Auf der anderen Seite sind wir eifersüchtig, besitzergreifend, eigensinnig und selbstgerecht – also ganz sympathisch, oder? Wir hassen Veränderungen. Wir hassen Unterbrechungen. Wir hassen es, gehetzt zu werden.«
    »Glaubst du das wirklich alles?«
    »Nein, aber du musst zugeben, dass etwas dran ist.«
    Rosie brachte Cheneys Bier. Ich sah ihr an, dass sie gern ein bisschen geblieben wäre, um Bruchstücke unserer Unterhaltung aufzuschnappen. Doch wir hüllten uns beide in Schweigen, bis sie wieder weg war.
    »Beck war hier«, sagte ich schließlich.
    »Du wechselst das Thema. Ich würde lieber über uns
    sprechen.«
    »Voreilig.«
    »Dann könnten wir ja vielleicht über dich reden.«
    »Kommt nicht infrage.«
    »Zum Beispiel gefällt es mir, dass du dich nicht schminkst.«
    »Ich war zweimal geschminkt. Am ersten Tag beim
    Mittagessen und dann neulich abends.«
    »Ich weiß. Daran habe ich ja gemerkt, dass ich Chancen habe, dich ins Bett zu kriegen.«
    »Cheney, wir müssen über Reba sprechen. Ich fahre morgen in aller Herrgottsfrühe nach Reno. Wir müssen am selben Strang ziehen.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde etwas sachlicher, und ich merkte, wie er auf Arbeitsmodus umschaltete. »Okay, aber zieh’s nicht zu sehr in die Länge. Wir haben auch noch was Besseres zu tun.«
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    »Zuerst die Arbeit.«
    »Ja, Ma’am.«
    Die nächsten zehn Minuten sprachen wir über Reba und Beck –
    was er gesagt hatte, was ich gesagt hatte und was es bedeutete, falls es überhaupt eine Bedeutung hatte. Cheney wollte am nächsten Morgen Priscilla Holloway anrufen und sie auf den neuesten Stand bringen. Er hielt den direkten Ansatz für günstiger, als das Risiko einzugehen, dass sie von selbst dahinter-kam. Er würde sie an Vince Turner verweisen, damit die beiden ihre Wünsche aufeinander abstimmen konnten. Wenn Holloway Reba festnehmen lassen wollte, umso besser für ihn. Vince wäre überglücklich, sie hinter Schloss und Riegel zu wissen.
    »Können wir jetzt gehen?«, fragte Cheney schließlich. »Dieses ganze Gerede über Kriminelle macht mich scharf.«
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    Die Fahrt von Santa Teresa nach Reno dauerte neun Stunden, eingeschlossen zwei Pinkelpausen und eine Viertelstunde zum Mittagessen. In den ersten sieben Stunden schaffte ich es bis Sacramento, wo der Highway 80 den Highway 5 kreuzt und den langsamen Anstieg zum Donner-Pass beginnt, der sich bis auf 2175 Meter erhebt. Der Rauch mehrerer Buschbrände im Tahoe National Forest hatte die Luft mit einem blassbraunen Schleier durchzogen, der mich bis über die Staatsgrenze nach Nevada begleitete. Ich erreichte Reno zur Abendessenszeit und drehte zuerst eine Runde durch die Straßen, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen.
    Die meisten Häuser hatten zwei oder drei Stockwerke und wurden hin und wieder von einem

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