Ausgespielt
setzen.«
»Wenigstens amüsiere ich mich.«
»Darf ich fragen, warum Sie verschwunden sind?«
»Brav sein wurde mir zu langweilig.«
»Muss ein Rekord sein. Sie haben zehn Tage durchgehalten.«
Sie grinste. »Ehrlich gesagt war ich gar nicht so brav, aber mir wurde trotzdem langweilig.«
»Ist Misty darüber im Bilde?«
»Sie meinen, ob wir vor ihr offen sprechen können? Sie ist 370
meine beste Freundin. Sie können sagen, was Sie wollen.«
»Sie haben das ganze Geld verjubelt, stimmt’s? Salustios fünfundzwanzigtausend.«
»Nicht das Ganze « , erwiderte sie.
»Wie viel?«
Sie zuckte die Achseln. »Etwas über zwanzig. Vielleicht eher zweiundzwanzig. Zweitausend sind noch übrig. Es ist doch sowieso sinnlos, mit ihm zu reden, wenn ich den Rest nicht habe. Was soll ich denn machen, ihm kleine monatliche Raten anbieten, bis ich meine Schulden abgetragen habe?«
»Irgendetwas müssen Sie tun. Was glauben Sie, wie lange Sie sich vor einem Mann wie ihm verstecken können?«
»Lassen Sie sich nur keine grauen Haare wachsen. Ich arbeite dran. Mir fällt schon was ein. Außerdem sitze ich ja vielleicht schon wieder im Knast, bevor er mich erwischt.«
»Was für ein schöner Gedanke«, bemerkte ich. »Mir ist unbegreiflich, warum Sie nicht nach Santa Teresa zurückfahren und mit Vince sprechen wollen. Es besteht immer noch die Chance, dass Ihnen die Feds einen Kuhhandel anbieten.«
»Ich brauche keinen Kuhhandel mit den Feds. Ich habe schon was am Laufen.«
Ich wandte mich zu Misty um. »Sie ist verrückt, oder? Ist sie jetzt wirklich komplett verrückt geworden?«
»Lassen Sie sie doch in Ruhe. Man kann niemanden retten außer sich selbst.«
»Da muss ich Ihnen leider Recht geben«, erklärte ich, ehe ich mich wieder an Reba wandte. »Ich will Sie nur wieder nach Santa Teresa zurückschaffen, bevor alles knüppeldick auf Sie herunterprasselt.«
»Ist mir klar.«
»Dann verbleiben wir einfach so: Sie wissen, wo ich wohne.
Ich bin bis morgen früh um sieben da. Falls ich bis dahin nichts 371
von Ihnen höre, fahre ich allein zurück. Aber ich muss Sie warnen – dann verständige ich die Polizei in Reno und verrate ihnen, wo Sie sind. Ist das ein faires Angebot?«
»Oh, besten Dank. Das halten Sie für fair? Die Cops in Reno zu verständigen?«
»Fairer werden Sie’s nicht kriegen. Und ich kann Ihnen nur raten, Ihrem Vater etwas Zeit zu widmen, solange es noch möglich ist.«
»Das ist auch der einzige Grund, warum ich zurückgehen würde, falls ich es tatsächlich tue.«
»Warum Sie es tun, ist mir vollkommen gleichgültig –
Hauptsache, Sie kommen mit.«
Ich kehrte ins Motel zurück und gönnte mir dort einen der schamlosesten Faulenzertage seit langem. Ich las ein Taschenbuch zu Ende und fing mit dem nächsten an. Ich machte ein Nickerchen. Um halb drei schlug ich einen Haken um McDonald’s und aß in einem Fast-Food-Lokal der Konkurrenz.
Hinterher hätte ich ja eventuell einen Spaziergang gemacht, aber offen gestanden interessierte mich meine Umgebung nicht im Geringsten. Reno ist bestimmt eine tolle Stadt, doch der Tag war heißer als ein Höllenschlund, und mein Zimmer war zwar trostlos, aber zumindest bewohnbar. Ich zog die Schuhe aus und las weiter. Am frühen Abend rief ich Cheney an und
unterrichtete ihn über die neuesten Entwicklungen.
Um zehn legte ich mich schlafen, und am nächsten Morgen um sechs stand ich wieder auf, duschte und packte meine Sachen. Als ich unten an meinem Auto anlangte, hockte Reba auf ihrem Koffer daneben, die Reisetasche zu ihren Füßen.
Wieder trug sie die roten Shorts und das ärmellose Shirt vom Morgen zuvor. Nackte Beine. Flipflops.
»Das ist aber eine Überraschung. Ich hätte gar nicht mit Ihnen gerechnet.«
»Ja, ich war selbst ganz überrascht von mir. Ich fahre unter 372
einer Bedingung mit.«
»Es gibt keine Bedingungen, Reba. Sie kommen mit oder nicht. Ich feilsche nicht mit Ihnen.«
»Ach, bitte. Hören Sie mich an. Es ist nichts Großartiges.«
»Okay, was?«
»Ich muss noch auf einen Sprung nach Beverly Hills.«
»Ich will aber keinen Umweg fahren. Warum nach Beverly Hills?«
»Ich muss im Neptune Hotel etwas abgeben.«
»Auf dem Sunset Boulevard?«
»Genau. Ich schwöre, es dauert überhaupt nicht lange. Tun Sie mir doch diesen klitzekleinen Gefallen. Bitte, bitte, bitte?«
Ich schluckte meinen Ärger hinunter, da ich froh darüber war, dass sie sich überhaupt zum Mitfahren bereit fand. Also machte ich die Tür auf der
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