Ausgespielt
stopfte den dicken Umschlag in die Tasche und verließ die Toilette.
Mit dem Aufzug fuhr ich in den achten Stock. Wie ich gehofft hatte, standen in unregelmäßigen Abständen Wäschekarren im Flur. Viele Gäste hatten bereits ihre Zimmer verlassen und sich auf den Weg zum Abendessen gemacht. Nun gingen die
Zimmermädchen herum und leerten die Abfalleimer, brachten 395
frische Handtücher, ersetzten die kleinen Gratisartikel und deckten die Betten auf. Ich wartete, bis das Zimmermädchen in Martys Zimmer verschwunden war und huschte den Flur
entlang. Neben ihrem Karren, auf dem ich eine Schachtel Einweg-Latexhandschuhe entdeckt hatte, blieb ich stehen, steckte ein Paar ein und klopfte an die Tür. Ob die Polizei wohl Martys Zimmer durchsucht hatte? Vielleicht nicht, da nirgends Absperrband zu sehen war.
Das Zimmermädchen sah vom Bett auf, wo sie gerade die schwere, gesteppte Tagesdecke zu etwas zusammenfaltete, das in Form und Umfang einer riesigen Biskuitroulade ähnelte.
»Entschuldigen Sie die Störung, aber könnten Sie vielleicht später weitermachen? Ich bin in zwanzig Minuten zum Essen verabredet und muss mich noch umziehen«, sagte ich.
Sie brummte eine Entschuldigung, nahm ihren mit den
typischen Utensilien bestückten Plastikkorb und ging.
Ich hängte das »Bitte nicht stören« -Schild außen an die Tür, streifte die Handschuhe über und begann eine gründliche Durchsuchung. Marty musste seine Geldbörse, den
Zimmerschlüssel und andere Gegenstände bei sich gehabt haben, als seine Angreifer ihn verschleppt hatten. Ich durchwühlte den Hartschalenkoffer, den er offen auf der Gepäckablage liegen lassen hatte. Unterwäsche, Hemden, Socken und ein paar Toilettenartikel, die er nicht im Badezimmer aufgestellt hatte. Ich zog die Schranktür auf und fuhr in die Taschen der dort hängenden Hose. Leer. Ich nahm eine systematische Durchsuchung des aufgehängten
Kleidersacks vor, doch darin befand sich nichts Unerwartetes: Anzüge, Hosen, Gürtel, Schuhe. Abgesehen von dem
Hotelbademantel und der Hose befanden sich keine weiteren Kleidungsstücke im Schrank, und auch den üblichen Hotelsafe mit seinem vierstelligen Zahlenschloss konnte ich nicht finden.
Ich durchsuchte das Badezimmer, einschließlich der Unterseite 396
des Spülkastendeckels, fand aber nichts. Ich zog sämtliche Schubladen der Kommode auf und fuhr mit der Hand darin herum. Leer. Jede Schublade nahm ich ganz heraus, da ja womöglich etwas darunter oder dahinter verborgen war. Am Nachttisch tat ich das Gleiche noch einmal. Ich nahm die Bibel heraus. Darin lag ein Ticket von Delta Air Lines, erster Klasse nach Zürich, ausgestellt auf Garrisen Randolph. Gebucht war nur der Hinflug, der am nächsten Morgen um neun Uhr dreißig gehen sollte.
Ich steckte den Flugschein wieder zwischen die Seiten, legte die Bibel in die Schublade zurück und machte sie zu. Ich glaubte zwar nicht, dass Marty zurückkommen würde, doch auf die leise Hoffnung hin, dass er es wider Erwarten schaffte, wartete hier das Ticket auf ihn. Ich zog die Handschuhe aus, nahm das »Bitte nicht stören« -Schild vom Türknauf und hängte es wieder nach innen, ehe ich mit dem Aufzug nach unten fuhr. Am
Zeitungskiosk erstand ich Briefmarken im Wert von drei Dollar, die ich vorn auf die Versandtasche klebte. Ich schrieb meine Adresse unter Martys Namen und drückte die Klebebänder zusammen, um den Umschlag zu verschließen. In Sichtweite des Tresens des Empfangschefs setzte ich mich hin und versuchte zu erspähen, ob Carl noch im Dienst war. Zehn Minuten
verstrichen, ohne dass er aufgetaucht wäre. Eine schick gekleidete Frau mit Namensschild am Revers hatte seinen Posten übernommen.
Ich trat an den Tresen. Sie machte einen kompetenten Eindruck und trug ein angemessen cooles und professionelles Lächeln zur Schau. »Ja, Ma’am?«
Ich legte die Versandtasche auf den Tresen. »Ich würde gern das hier für Mr. Blumberg in Zimmer 817 hinterlegen, möchte Sie aber bitten, eine Notiz beizufügen. Falls er den Umschlag bis morgen Nachmittag nicht abgeholt hat, wäre ich froh, wenn Sie ihn in die Post geben und ihm zuschicken würden.«
»Aber sicher.«
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Sie schrieb die entsprechende Notiz und befestigte sie mit einer Büroklammer an der Versandtasche. »Ach, und haben Sie vielleicht eine Heftmaschine?«, fragte ich. »Der Umschlag ist aufgegangen.«
»Kein Problem.« Sie griff hinter den Tresen und nahm einen Hefter heraus, mit dem sie eine Reihe von Klammern in die
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