Ausgespielt
als sie in die Garage fuhr. Sie stieg aus, schloss den Wagen ab und trat an den Kofferraum. Sie machte ihn auf und zerrte einen Koffer heraus, der ungefähr der Größe für Bordgepäck entsprach, obwohl man ihn nur mit Mühe in eine der Boxen über den Sitzen gebracht hätte. Er hatte einen Griff zum Ausziehen und Räder. Reba wirkte abwesend – sie war in einer Stimmung, die ich nicht ergründen konnte.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Bestens.«
»Nur mal ganz nebenbei – verraten Sie mir, was da drin ist?«
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»Wollen Sie es sehen?«
»Allerdings.«
Sie fuhr den Griff ein, legte den Koffer hin, machte den Reißverschluss auf und klappte den Deckel auf.
Vor mir lag eine Metallkiste, vielleicht vierzig Zentimeter hoch, fünfundvierzig Zentimeter lang und zwanzig Zentimeter breit. »Und was soll das sein?«
»Machen Sie Witze? Das wissen Sie nicht?«
»Wenn ich es wüsste, würde ich nicht fragen, Reba. Dann würde ich vor Freude und Erstaunen jubeln.«
»Das ist ein Computer. Marty hat ihn mitgenommen, als er abgehauen ist. Außerdem ist er bei der Bank vorbeigefahren und hat sämtliche Disketten aus dem Banksafe genommen. Vor Ihnen liegen Becks Geschäftsunterlagen – der zweite Satz Bücher. Schließen Sie das Ganze an Tastatur und Monitor an, und schon haben Sie Zugriff auf alles: Bankkonten,
Einzahlungen, Scheinfirmen, Schmiergelder und jeden Cent, den er für Salustio gewaschen hat.«
»Das übergeben Sie alles dem FBI, oder?«
»Wahrscheinlich. Sobald ich fertig bin … aber Sie wissen ja, wie ungehalten sie bei Diebesgut werden.«
»Aber Sie können doch nicht im Ernst daran denken, es zu behalten. Deshalb waren diese Typen hinter Marty her – um es wiederzubekommen, oder?«
»Genau. Also rufen wir jetzt mal Beck an und bieten ihm einen Handel an. Wir kriegen Marty, er kriegt das hier.«
»Haben Sie nicht gerade gesagt, Sie würden es dem FBI übergeben?«
»Sie haben nicht zugehört. Ich habe gesagt ›wahrscheinlich‹.
Ich weiß nicht, ob deren bescheuerte Ermittlungen Martys Leben wert sind.«
»Sie können das nicht allein durchziehen. Mit Beck
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verhandeln? Haben Sie den Verstand verloren? Sie müssen es Vince sagen. Verständigen Sie die Cops oder das FBI.«
»Kommt nicht infrage. Das ist meine einzige Chance, um mit diesem Schwein abzurechnen.«
»Ah, jetzt begreife ich es. Es geht nicht um Marty. Es geht um Sie und Beck.«
»Natürlich geht es um Marty, aber es geht auch darum, die Rechnung zu begleichen. Es ist wie ein Test. Mal sehen, aus welchem Holz Beck geschnitzt ist. Ich glaube, es ist gar kein so schlechtes Geschäft – Marty im Austausch gegen das hier. Und gerade dadurch, dass die Feds es haben wollen, wird es so wertvoll.«
»Es gibt Wichtigeres im Leben als Rache.«
»Das ist Quatsch. Was denn zum Beispiel?«, erwiderte sie.
»Außerdem rede ich gar nicht von Rache. Ich rede von Abrechnen. Das ist etwas anderes.«
»Ist es nicht.«
»Doch. Rache ist, wenn Sie mir etwas antun, und ich Sie dann quäle, bis Sie Ihren eigenen Tod herbeiwünschen. Abrechnen stellt das Gleichgewicht im Universum wieder her. Sie töten ihn, ich töte Sie. Dann sind wir quitt. Worum sonst geht’s bei der Todesstrafe? Es ist nichts anderes als Abrechnen. Wie du mir, so ich dir. Du tust mir weh, also tu ich dir weh. Wir sind quitt, und die Welt ist wieder in Ordnung.«
»Warum rechnen Sie nicht ab, indem Sie ihn beim Finanzamt verpfeifen?«
»Das wäre geschäftlich. Es geht aber um etwas Persönliches zwischen ihm und mir.«
»Ich verstehe nicht, was Sie wollen.«
»Er soll sagen, dass ihm Leid tut, was er mir angetan hat. Ich habe für ihn zwei Jahre meines Lebens geopfert. Aber jetzt besitze ich etwas, was er haben will, also soll er darum bitten.«
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»Das ist doch idiotisch. Dann setzt er eben eine zerknirschte Miene auf und entschuldigt sich. Was spielt das schon für eine Rolle? Sie wissen genau, wie er ist. Mit Typen wie ihm können Sie keine Geschäfte machen. Sie werden immer betrogen.«
»Das wissen Sie nicht.«
»Doch. Reba, würden Sie bitte auf mich hören? Bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bietet, macht er Sie fertig.«
Ihre Miene war verschlossen. »Holen Sie jetzt vielleicht mal Ihren Wagen? Ich warte hier auf Sie.«
Ich machte den Mund zu und schloss die Augen. Warum sollte ich mit ihr streiten, wenn sie sich bereits entschieden hatte?
»Soll ich Ihnen mit dem Garagentor helfen?«
»Es geht schon.«
Ich kehrte ins Büro zurück.
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