Ausgespielt
»Ich bin die nächsten zwei Stunden in meinem Büro und danach zu Hause.«
Nachts kommt mir mein Büro immer seltsam vor, da seine unschönen Seiten und seine Schäbigkeit vom künstlichen Licht noch verstärkt werden. Als ich dort an meinem Schreibtisch saß, sah ich durchs Fenster nichts als widergespiegelte
Schmuddeligkeit, den Staub und die alten Regenstreifen, die mir jeglichen Blick auf die Straße verwehrten. An Wochenenden ist in diesem Teil von Santa Teresa nach achtzehn Uhr absolut nichts mehr los – die öffentlichen Gebäude haben geschlossen, und Gericht wie Stadtbibliothek liegen im Dunkeln. Der Bungalow, in dem ich residierte, war der mittlere von dreien; identische Steinhäuser, die irgendwann einmal als bescheidene Wohnhäuser fungiert hatten. Seit ich eingezogen war, standen die Häuser rechts und links von mir leer, was mir zwar einerseits die Ruhe schenkte, die ich brauchte, andererseits aber ein unangenehmes Gefühl von Isolation hervorrief.
Ich sortierte den Berg Post, den mir der Briefträger durch den Türschlitz geworfen hatte. Jede Menge Werbung und ein paar Rechnungen, die ich brav beglich. Ich war unruhig und wollte nach Hause, hatte aber zugleich das Gefühl, bleiben zu müssen, da ich auf einen Anruf von Reba hoffte. Ich vertiefte mich ein bisschen in die Ablage und räumte die Schublade mit meinen Stiften auf. Es war Pseudoarbeit, doch es gab mir eine sinnvolle 406
Beschäftigung. Immer wieder musterte ich das Telefon, als könnte ich es dadurch zum Klingeln bringen, und so fuhr ich fast aus dem Stuhl, als jemand an mein Fenster klopfte.
Draußen stand Reba, verborgen in der finsteren Ecke zwischen meinem Bungalow und seinem Zwilling daneben. Sie hatte ihre Shorts gegen Jeans eingetauscht, und das weiße T-Shirt, das sie trug, sah aus wie das, das sie beim Verlassen der Haftanstalt angehabt hatte. Ich entriegelte das Fenster und zog es ein Stück weit auf. »Was machen Sie hier?«
»Haben Sie Zugang zu den Garagen da hinten?«
»Sicher, jedenfalls zu der, die zu diesem Bungalow gehört. Ich habe sie nie benutzt, aber der Vermieter hat mir die Schlüssel gegeben.«
»Holen Sie sie, und dann los. Mein Wagen muss von der Straße verschwinden. Ich habe diese Gorillas auf dem Hals, seit ich von zu Hause weggefahren bin.«
»Die gleichen, die wir in L.A. gesehen haben?«
»Ja, nur dass einer ihnen jetzt ein blaues Auge hat, als wäre er gegen eine Tür gelaufen.«
»Ach du liebe Zeit. Ob das wohl ich mit meinem kleinen Stühlchen war?«, mutmaßte ich. »Wie haben Sie sie
abgeschüttelt?«
»Glücklicherweise kenne ich Santa Teresa wesentlich besser als die. Ich habe sie eine Weile herumfahren lassen, und dann habe ich die Scheinwerfer ausgemacht, bin in eine kleine Seitenstraße abgebogen und habe mich hinter einer Hecke versteckt. Sowie ich das Auto mit den beiden habe vorbeifahren sehen, bin ich umgekehrt und hierher gekommen.«
»Und wo waren Sie davor die ganze Zeit?«
Sie wirkte erregt. »Fragen Sie nicht. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Aber jetzt Beeilung. Mich friert.«
»Wir treffen uns draußen.«
407
Ich schloss das Fenster und verriegelte es wieder. Dann schob ich das Telefonbuch in der untersten Schreibtischschublade beiseite und fischte zwei silbrige Schlüssel heraus, die zusammen an einer Büroklammer hingen. Ich schnappte mir meine Tasche, suchte meine zuverlässige kleine Taschenlampe heraus und testete, ob die Batterien noch funktionierten, während ich den Flur entlang und zur Hintertür hinausging. Ein kleines Rasenstück trennte die Bungalows von der Reihe aus drei Garagen dahinter. Reba hatte ihren Wagen im Schutz eines Feuerdorns abgestellt, der ihr wahrscheinlich auf der rechten Seite den Lack zerkratzt hatte. Sie saß hinterm Lenkrad und rauchte eine Zigarette, während sie auf mich wartete.
An dem hölzernen Balken über der mittleren Garage, die mir zugeteilt war, hing eine Lampe mit Vierzig-Watt-Birne. Wenn man gute Augen hatte, reichte das Licht gerade, um sich zu orientieren. Ich fummelte an dem Vorhängeschloss herum, bis es mit einem Ruck aufsprang. Dann nahm ich es von der Schiene und zog das nach oben aufgehende Tor hoch, begleitet vom Knarren von Holz und dem Quietschen der Scharniere. Mit der Taschenlampe leuchtete ich Wände und Fußboden ab. Es war alles leer, nur der Geruch von Motoröl und Ruß hing noch im Raum. Überall waren Spinnweben.
Reba warf ihre Zigarette aus dem Fenster und ließ ihren Wagen an. Ich trat beiseite,
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