Ausgetanzt
brauch einen neuen
Schnitt.«
»Siehst eh, ich hab alle Hände voll zu tun.« Sie strich
weiter Farbe auf Strähnen. »In einer Stunde vielleicht?«
»Hm«, murmelte die Frau noch einmal und starrte in ihre
Tasche. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Geschäft.
»Kaffee?« Katharina sah Berenike mit einem Aufseufzen an.
»Ein Wasser wär mir lieber. Wenn’s keine Umstände macht.« Ihr
Herz klopfte sowieso zu heftig.
»Macht’s nicht, keine Sorge. Eher umgekehrt. Der Kaffee ist
fast aus. Ich müsst dringend einen besorgen, aber der Spar …«
»… hat Mittagspause.«
»Genau. Aber …«
»Ich kenn mich auch schon aus hier.«
»Ach so.« Katharinas Schielen trat jetzt wieder stärker
hervor. Sie warf Berenike einen dieser ums Eck geworfenen Blicke zu.
»So, meine Liebe, ein paar Minuten unter der Trockenhaube,
dann ist alles wieder wie neu.«
»Danke, Katharina.«
Die Friseurin wischte sich die Finger ab.
»Koromar«, murmelte Berenike, »immer hör ich Koromar.«
»Hmhm, ja ja«, Katharina verschwand hinter ihrem Vorhang.
Berenike betrachtete die zwei Kundinnen, dann wie zufällig Katharinas Wägelchen
mit dem vielen Werkzeug. Kämme, Bürsten in diversen Größen, Haarsprays neben
Geltuben. Und Schneidewerkzeuge … Berenike dachte an das Messer, das Adi fallen
gelassen hatte. Sie strich sich mit der flachen Hand über ihren ausrasierten
Nacken. Unmöglich konnte sie erkennen, ob etwas fehlte. Ein Rasiermesser gar!
Es gab sie zu Tausenden, in jedem Frisiersalon und auch zu kaufen. Ihr Herz
ruckelte kurz und böse, ein Prickeln stieg ihren Rücken hoch. Sie drehte sich
um. Die Frau unter der Trockenhaube, sie ließ Berenike nicht aus den Augen.
Wenigstens sagte sie nichts, weil das Ding dermaßen rauschte.
»So, bitte.« Die Friseurin hielt ein Glas durch die Schnüre
des Perlvorhangs. Es sah nicht sehr sauber aus. Berenike tat, als würde sie
einen Schluck trinken, und stellte es hinter einer Pflanze am Fensterbrett ab.
Katharina prüfte die Haare der Dame unter der Trockenhaube: »Ein paar Minuten
noch, Helly!« Die nickte, so weit das unter dem heißen Gerät ging. Katharina
winkte Berenike: »Komm mit, hinten ist es ruhiger. Was führt dich zu mir?
Brauchst du einen Haarschnitt?«
»Nein, momentan nicht.« Die Kundinnen sahen ihnen neugierig
nach. »Katharina, geht dir was ab?«
»Was denn?«
»Du hast alle deine Werkzeuge? Hast du nicht zufällig das
Messer erkannt, das Adi fallen gelassen hat? In der Nacht, als …«
»Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Es ist furchtbar
genug, dass Caro hier … so tot und blutig …« Etwas von der Erstarrung jener
Nacht legte sich über Katharinas Gesicht, ihren Körper. Still stand sie da.
Festgefroren im Moment. Die Pupillen seltsam verdreht, mehr als sonst.
»Immerhin ist dein Geschäft wieder von der Polizei
freigegeben worden.«
»Ja. Aber soll ich vielleicht von Glück reden, dass ich das
alles putzen hab dürfen?« Die Falten um Katharinas Mund wirkten wie ein
strenger Verweis. »Den gröbsten Dreck haben sie zwar mitgenommen und eine
spezielle Reinigungsfirma war auch da. Aber …«
»Ich weiß, wie so was ist, leider.« Berenike dachte an den Mord
in ihrem Salon letztes Jahr. Ihr schauderte beim Gedanken daran, wie sie noch
lange danach die Präsenz des Toten im Raum gespürt hatte.
»War da eigentlich … viel Blut?«
»Nein.«
»Hmhm«, machte Berenike und sah sich um. »Hier habt ihr Caro
also zum letzten Mal gesehen. Du und Sven.«
»Das hab ich alles der Polizei gesagt.« Katharina machte sich
an einem winzigen Waschbecken zu schaffen, dessen weißes Emaille schon bessere
Zeiten gesehen hatte. »Ja ja, der Sven …«
»Was ist mit ihm?«
»Er war so durcheinander.« Umständlich nahm Katharina ein
Glas, drehte den rostigen Hahn auf. »Er hat mir leid getan. Wer weiß, wo sich
seine Frau wieder rumgetrieben hat. Mich hat noch nie ein Mann schlecht
behandelt, aber sehr viele Frauen. Pah!« Sie sah kurz in den Spiegel über dem
Waschbecken. »So viel Gewalt geht von Frauen aus! Darüber sollten die Zeitungen
einmal schreiben! Dass der Sven aggressiv reagiert, wundert mich nicht. So wie
Ellen mit ihm umspringt. Sie ist nie da für ihn. Sie ist schlimmer als jeder
Mann.« Sie schluckte, blickte das Glas an, das sie sicher schon zum zehnten Mal
unter dem Wasserstrahl im Kreis drehte. »Kühl. Dabei hat Sven es mit seiner
Familie nicht leicht.«
»Wie meinst du das?«
»Die Gerlings, die Schauspieler-Dynastie, weißt
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