Ausgetanzt
du?«
»Sven gehört zum Gerling-Clan? Das wusste ich nicht.«
»Unseren Sven hat es als Einzigen der vier Kinder nicht zum
Theater gezogen. Seine Eltern sind beide bei der Bühne gewesen. Svens Mutter,
Sally Gerling, hat zwar ihre Schauspielkarriere aufgegeben, aber sie sucht nach
wie vor das Rampenlicht. Zuerst an der Seite ihres Mannes und später mit ihren
Büchern. Svens Vater stammt von hier, die Mutter kommt aus Norddeutschland.
Deshalb hat sie ihren Söhnen so komische Namen gegeben. Für den armen Sven
blieb nicht viel Nestwärme übrig. Er wurde von Haushälterinnen betreut, während
seine Geschwister Kinderrollen in Filmen bekamen und durch die Welt gondelten.
Diese Frauen bemutterten Sven zwar, aber … Und dann Ellen …«
»Was ist mit Ellen?«
»Ellen ist Ellen. Sie war immer eigen. Und seit sie sich
dieses Studium in den Kopf gesetzt hat … Ihre Kunstwerke, da kann man geteilter
Meinung sein. Dabei ist Sven so ein Lieber …« Katharina stellte das Glas
endlich ab und schlug die nassen Hände vors Gesicht. Wassertropfen rannen über
ihr Gesicht. Dann schüttelte sie sich, wischte sich über die Stirn. »Der Arme
hat es echt nicht leicht, aber dass er so wütend wird! Es hat alles nichts
geholfen, so sehr ich ihn zu beruhigen versucht …«
»Katharina?« Eine Stimme aus dem Geschäft.
»Ja, ich komme!« Die Friseurin trocknete sich die Finger an
einem kleinen, schmutzig grauen Handtuch ab. Ihre Haut sah trocken und
eingerissen aus.
»Einen Moment noch bitte, Katharina. Caro hat sich nicht
davor gefürchtet, mit Sven zu reden?«
»Man hat es ihr zumindest nicht angesehen. Da war sie eigen.
Du kommst mir gerade recht, hat er sie angebrüllt, du flüsterst meiner Frau den
ganzen Unfug ein! Selbstbestimmtes Leben und so, ha! – Caro hat Sven beim Arm
genommen, sehr sanft, und ist mit ihm raus. Als ob die besser als ich mit Sven
…«
»Katharina! Der Wecker hat schon geklingelt!« Die Stimme von
draußen klang ungeduldig.
»Ich bin gleich da!«, rief Katharina. »Sven ist komisch
gewesen in letzter Zeit, aber wenn man weiß, wie man ihn zu nehmen …« Sie fuhr
sich mit zwei Fingern an die Nasenwurzel und schloss die Augen. »Ich bin ihm
und Caro einen Moment später nach …«
»Und?«
»Was und? Ich hab niemanden mehr gesehen.«
»Hast du früher Feierabend gemacht an dem Tag?«
»Woher weißt du das?« Wieder der schielende Blick. »Eh nur ein
wenig. Das ist nicht verboten.« Katharina warf das Handtuch ins Waschbecken und
hielt Berenike den Perlvorhang auf. »So, Helly, da bin ich.«
»Das dauert aber heut lang!«
»Entschuldige bitte! Ich hab’s hinten nicht gehört, weil das
Wasser so gerauscht hat.« Der Blick, den die als Helly angesprochene Frau
Katharina aus dem Spiegel zuwarf, hätte töten können. Und das alles wegen einer
zu lange einwirkenden Dauerwelle …
Mit raschem Griff schaltete Katharina die Trockenhaube aus
und schob sie nach oben. Plötzlich war es furchtbar still im Raum.
»Um welche Uhrzeit ist Sven hier im Laden aufgetaucht?«
»Ich weiß nicht mehr genau, so gegen fünf etwa.«
»Ich weiß, dass du schon um fünf zug’sperrt gehabt hast,
Katharina!«, warf die andere Frau ein.
»Meinst?« Katharina warf ihr einen seltsamen Blick zu.
»Hab ich was Falsches g’sagt?« Die Frau verrenkte ihren Hals
, während sie zwischen Katharina und Berenike hin und her blickte, dass man
meinte, ein Knarren der Wirbelsäule zu hören.
Katharina schüttelte hastig den Kopf. »Berenike, war’s das?
Ich hab zu tun.«
»Danke«, beeilte sich Berenike zu sagen. »Auch für das
Wasser.« Sie griff nach dem Glas und wollte es nach hinten tragen.
»Keine Ursache.« Katharina nahm Berenike das Glas aus der
Hand. Berenike lauschte, weil sie glaubte, von oben Schritte zu hören. Jetzt
war alles wieder still.
»Ach ja, entschuldige – darf ich deine Toilette benutzen?«
Katharina zuckte zurück. »Wie? Ach so. Leider, ich habe nur
eine in der Wohnung, und da ist gerade Baustelle. Aber gleich nebenan findest
du ein öffentliches WC.«
»Ach so, verstehe. Danke, Katharina, tschüss!« Klingelnd fiel
die Tür hinter ihr zu. Berenike verharrte kurz im Eingang. Es regnete. Nach dem
Toilettenbesuch machte sie sich auf den Weg zu ihrem Parkplatz. Das Wort ›Schnürlregen‹
bekam hier im Salzkammergut eine ganz neue Bedeutung. Es goss so dicht und
intensiv, dass man kaum noch etwas sah. Der Hallstätter See wirkte grau, alles
war grau in grau. Die Berge sowieso, der Himmel, die
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